Draakk: Etwas ist erwacht. (Horrorthriller) (German Edition)
und mit grobem Schotter bestreut worden war. Andererseits trugen sie aber auch gänzlich ungeeignete Schuhe für derlei Unternehmungen. Sie würden sich morgen im Dorf komplett neu einkleiden müssen und einfach hoffen, dass sie bis dahin irgendwie durchhielten. Als sie schließlich das Haus umrundet und die niedrige Eingangstür unter den schweren Holzbalken gefunden hatten, klopften sie an. Zunächst noch etwas zaghaft, dann stärker.
Dann noch einmal. Nichts.
Singer klopfte erneut und plötzlich flackerte im Haus weiter oben Licht auf. Nach einer Weile ertönte ein Knarren, vermutlich von einer Holztreppe, die mindestens so alt sein musste wie das Haus selbst. Dann stapften schwere Schritte in Richtung Haustür. Eine Lampe leuchtete über ihren Köpfen auf und tauchte den Eingangsbereich in helles Licht. Aus dem Inneren brummte ein wohlklingender Bass in tiefstem Schweizerisch: »Lasst die Tür ganz! Ich habe auch eine Klingel!«
Stimmt, stellte Antonia fest. Jetzt im Schein des Oberlichts war sie sogar ziemlich deutlich zu sehen, und zwar genau da, wo man sie erwartet hätte, gleich neben der Tür, ungefähr in Schulterhöhe. Allerdings vermittelte das Haus einen derart altertümlichen Eindruck, dass man einfach nicht auf die Idee kam, nach so etwas Modernem wie einer elektrischen Klingel zu suchen.
Die Tür öffnete sich mit einem Ruck und sie blickten in das vollbärtige Gesicht eines alten Mannes, in dem es nur wenige Stellen gab, die der mächtige weiße Bart nicht verdeckte. Auf der Stirn des Mannes, der wie ein fleischgewordenes Abziehbild des Alm-Öhis aussah, klebte ein breites Pflaster. Der Arm unter dem linken Aufschlag seiner Wolljacke steckte in einer Schlaufe. Er trug lederne Knickerbocker-Hosen mit den dazu passenden groben Wandersocken, welche ihrerseits in dick gefütterten Pantinen verschwanden. Ungefähr in Hüfthöhe des Mannes schaute ein großes, faltiges Hundegesicht zu ihnen auf, welches zu einem riesenhaften Exemplar eines Bernhardiners gehörte. Wäre der Hund noch ein klein wenig größer gewesen, hätte er sich das Zu-ihnen-Heraufschauen sparen können und einfach zu ihnen herüber geblickt.
»Na, ihr habt euch wohl auf dem Weg in den Süden verlaufen, wie?«, richtete sich der Alte in gut verständlichem Deutsch an sie. Entweder hatte er das Nummernschild ihres Wagens weiter unten auf dem Parkplatz erspäht – oder ihnen schlicht angesehen, dass sie nicht aus der Gegend stammten. Vermutlich Letzteres.
»So ähnlich«, sagte Singer lächelnd. »Sind Sie Alois Suter?«
»In persona«, bestätigte der Alte. »Kläff!«, machte der Hund. Ein perfektes Paar. »Und das ist der Tobi.« Der Hund streckte seinen Kopf bei der Erwähnung seines Namens soweit es ging nach oben. Und das war verdammt weit.
»Aber ihr kommt's jetzt einmal schleunigst hinein – Willkommen in der Pension Alpenblick!«, fuhr der Alte fort und grinste. Ein offenes, herzliches Grinsen. Und es schien hauptsächlich aus seinen Augen zu kommen, die ihnen verschmitzt entgegegenstrahlten. Vom Rest seines Gesichts war aufgrund des dichten Barts ohnehin wenig zu erkennen.
Alois Suter schloss mit einem kräftigen Ruck die Tür hinter seinen Gästen.
»Und jetzt ziehet’s euch erst einmal die Jacken aus, bevor ihr euch noch einen Schnupfen einfangt«, sagte er und deutete auf die Wand des Flurs, an der einige große, hölzerne Kleiderhaken hingen. Dabei musterte er die Ankömmlinge mit forschenden Augen – auf eine Art, die Antonia spontan an den ’Röntgenblick’ von Superhelden erinnerte. Wesentlich angenehmer zwar als der des Schützen -Wirts, aber nicht minder eindringlich. Dieser Blick schien für einen Moment auf den Grund ihrer Seelen zu tauchen und sich dort aufmerksam umzuschauen.
Nach einer Weile brummte der Alte zufrieden und der Hund gab ebenfalls ein zustimmendes Knurren von sich und damit war die Sache erledigt – sie waren offenbar vorerst geduldet im Reich des alten Mannes. Antonia streckte die Hand nach dem Hinterkopf des Hundes aus und nach einem fragenden Blick zu dem alten Mann, begann sie den riesigen Bernhardiner hinter den Ohren zu tätscheln, woraufhin dieser ihr seinen breiten muskulösen Nacken entgegenstreckte, damit das Mädchen ihn noch besser kraulen konnte. Der Alte förderte aus einer der Holzkisten im Flur drei kuschelige Decken zutage, die sie sich um die Schultern legten. Derart eingehüllt folgten sie dem Alten die schmale Holztreppe hinauf in die gemütliche Wohnstube.
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