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Draakk: Etwas ist erwacht. (Horrorthriller) (German Edition)

Draakk: Etwas ist erwacht. (Horrorthriller) (German Edition)

Titel: Draakk: Etwas ist erwacht. (Horrorthriller) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lutz C. Frey
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seines Verstandes eine unbestimmte Art von Abneigung erzeugten. Er konnte den Finger nicht darauf legen, was genau ihn störte an diesem Wirt mit der Stupsnase in dem teigigen Vollmondgesicht über dem borstigen Schnurrbart – aber Singer wusste, dass die schmutzig-braunen Soßenflecken am Revers des Trachtenhemdes genauso mit seiner Abneigung zu tun hatten wie der abstoßende, leuchtend rote Pickel auf der linken Wange des Mannes und die aufgesprungenen fiebrigen Lippen, über die er sich ständig zu lecken schien. Das, und wie er Antonia ansah.
    Dem Wirt selbst waren Singers Beobachtungen offenbar entweder entgangen oder schlichtweg schnuppe. Er baute sich direkt vor Antonia auf, die verträumt in den Resten ihrer Käsesuppe stocherte, lehnte die mächtigen Unterarme auf den Tresen und fragte sie dann im besten Schweizerdeutsch, das er zustande brachte, so etwas Ähnliches wie: »Also, ihr Leut', wo seid ihr denn hin unterwegs?«
    Gute Frage, dachte Singer. Und du bist so ziemlich der Letzte, dem ich die Antwort darauf auf die Nase binden würde. Aber vielleicht kannst du uns trotzdem nützlich sein. Also log er ins Blaue hinein.
    »Wir haben eine Pension gebucht. Winterurlaub, wissen Sie? Die Kids und ich und nur der Hang, herrlich!«, sagte er und imitierte mit seiner Hand ein Snowboard, das auf einer imaginären Piste hinabglitt. Zumindest stellte es das seiner Meinung nach dar; Wintersport war noch nie seine große Leidenschaft gewesen. Dabei hatte er selbstverständlich keine Ahnung, ob es in der Nähe der Hütte des alten Suter überhaupt einen vernünftigen Skihang gab, aber er schätzte, auch das würden sie bald herausfinden.
    »Ach, Schneeschuhfahren wollt ihr! Und bei diesem Wetter.«
    »Genau. Uns macht das nichts aus, wissen Sie? Wir fahren immer um diese Jahreszeit. Unsere Pension heißt »Alpenblick«. Sie gehört einem gewissen Herrn Suter. Kennen Sie den?«
    »Ah, der Alois vom Alpenblick. Ja, freilich. Die Pension ist aber nur im Sommer geöffnet, soweit ich weiß, oder?«
    Erneut erscholl gedämpftes Lachen aus dem Schankraum, offenbar verfolgten die Stammgäste das Gespräch mit reger Anteilnahme. Sollten sie, dachte Singer, solange er nur erführe, wie sie von hier zum »Alpenblick« gelangten.
    »Ja, genau«, spielte er das Spiel tapfer lächelnd weiter mit, »der gute alte Alois. Für uns macht er eine Ausnahme.«
    Der Wirt hielt für einen Moment in seiner Wischbewegung inne und beugte sich zu Singer herüber. Dann sprach er in unverminderter Lautstärke weiter: »Ist ein etwas seltsamer Kauz, der Alois, wissen Sie?« Noch mehr Gelächter aus dem hinteren Teil der Gaststube.
    »Von mir aus«, sagte Singer. »Und wissen Sie vielleicht auch, wie wir da hinkommen?«
    »Freilich«, sagte der Wirt, während sein Blick mit solcher Unverfrorenheit über Antonias Körper strich, dass Singer sich bemüßigt fühlte, seine Aufmerksamkeit mit einem Fingerschnippen wieder in seine Richtung zu lenken. Auch Antonia entging das obszöne Starren des Wirtes nun nicht länger. Mit einer entschlossenen Bewegung zog sie den Reißverschluss ihrer Jacke hoch. Den Wirt ließ das unbeeindruckt. Erst als er sich für den Moment an dem jungen Mädchen sattgesehen und sich ein weiteres Mal aufreizend über die rissigen roten Lippen geleckt hatte, schaute er wieder zu Singer, und nun war sein Grinsen unter dem mächtigen Schnauzbart eindeutig dreist.
    »Sie folgen der Hauptstraße«, erklärte er, und lehnte sich massig auf seinen Tresen. Mit dem Finger zeichnete er eine unsichtbare Wegskizze auf das glatt polierte Brett, ohne hinzusehen. »An der ersten Brücke fahren Sie links. Nicht rechts runter ins Tal, da ist nämlich nichts außer der Husky-Lodge und den langhaarigen Verrückten. Aber die sind ja nur im Sommer da und machen da ihren Krach.« Es erschloss sich Singer nicht, wen oder was er mit ‘langhaarigen Verrückten’ meinte, offenbar schien auch das Gehirn des alten Schankwirtes öfter ‘auf Wanderschaft’ zu gehen, vielleicht war ja der Konsum des vielgepriesenen Gebirgskräuters daran nicht ganz unschuldig.
    »Jedenfalls fahren Sie links, immer den Berg hinauf. Wenn ihre Karre das schafft, heißt das. Und dann sehen Sie es schon, großes Haus, dreistöckig, können es gar nicht verfehlen.«
    Als er das mit der Karre sagte, war aus dem hinteren Teil der Kneipe ein ziemlich heftiges Prusten zu hören gewesen, welches in einen kleinen Hustenanfall überging. Ha ha, dachte Singer, saukomisch, in der Tat.

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