Draakk: Etwas ist erwacht. (Horrorthriller) (German Edition)
im fernen Meer anzukommen wie alle fließenden Gewässer.
Und er hatte noch das Langseil im Rucksack. Einen Versuch war es vielleicht wert.
Schließlich warf er den Stein in die Schlucht zu seinen Füßen. Nach einiger Zeit drang ein deutlich vernehmbares »Platsch!« herauf. Treffer! Wenn er auch momentan nicht mehr viel hatte, an das es sich zu klammern lohnte – nun hatte er immerhin ein bisschen Hoffnung. Und einen Plan. An sich war es ein einfacher Plan – seine Durchführung würde sich jedoch als ausgesprochen schwierig erweisen.
Jedes fließende Gewässer führt zwangsläufig aus dem Berg hinaus.
Das Problem lag darin, dass er momentan hier oben saß, viele Meter über dem Fluss. Und er war kein Stein. Sein »Platsch!« würde wesentlich lauter sein – und mit Sicherheit tödlich. Er musste also einen weniger direkten Weg nach unten finden – oder es zumindest versuchen.
Erneut knipste er die Betty an. Die starke LED-Leuchte tauchte seine Umgebung sofort in unbarmherzig grelles Licht. Er wandte den Blick nach unten und sah zwischen seinen baumelnden Füßen in den Abgrund hinab. Er vermeinte, nun auch die Reflexionen der dünnen Wasserschnur auszumachen, die sich am Grund der Steilwand unter ihm entlang schlängelte. Verdammt tief unter ihm.
Sein Blick glitt aufmerksam über die Felswand zu seinen Füßen. Nach etwa einer halben Stunde des intensiven Starrens hatte sich der erfahrene Kletterer die wesentlichen Trittstellen in der Wand eingeprägt.
Er wuchtete das aufgewickelte Langseil aus dem Rucksack, der nur mehr den kläglichen Rest seines Proviants und ein paar verbrauchte Ersatzakkus für die Betty enthielt, und entrollte das Seil. Er schlang einen festen Knoten hinein, einen Sackstich , wobei er wiederum seine rechte Hand und seine Zähne benutzte. Dann klemmte er das verknotete Ende in einen Felsvorsprung und riss einige Male prüfend daran. Er warf einen letzten Blick zurück in die Kaverne, in deren schwarzer Tiefe er noch immer Tobi vermutete (was allerdings nicht stimmte – der Hund war bereits umgekehrt und suchte nach einem Ausgang aus dem Berg). Der Alte warf das lose Ende des Seils in die Schlucht hinab. Er zog die schweren Bergstiefel von den Füßen und stopfte sie in seinen Rucksack. Viel zu klobig, um an der steilen Wand einigermaßen sicher klettern zu können. Aber später würden sie vielleicht nützlich sein.
Ohne weiteres Zögern schlang er sich das Seil um den Rumpf und führte es mit der Hand seines gesunden rechten Arms. Dann begann er, sich die Felswand herabzulassen. Seine nackten Füße gegen den Felsen stemmend versuchte er, sein Gewicht so zu verteilen, dass er sich allein mit der gesunden Hand am Seil hinablassen konnte – ein Kraftakt, dessen Gelingen er vor allem seiner jahrzehntelangen Klettererfahrung verdankte - manch jüngerer Mann hätte dieses Kunststück nicht zustande gebracht.
Die Muskeln seines rechten Oberarms waren zum Äußersten angespannt, als er dem Vorsprung etliche Meter unter ihm entgegenstrebte. Immer wieder drohte sein vor Schmerzen schreiender Körper aufgeben zu wollen, aber der Kraft schierer Verzweiflung krallte sich seine Hand um das Seil, das tiefe, blutende Striemen in die Innenseite seiner Handfläche schnitt. Sein Körper war jetzt eine einzige, sehnige Muskelfaser, die er bald hierhin, bald dorthin bog, um sein Gewicht am Seil besser verteilen zu können. Zentimeter um Zentimeter arbeitete er sich die Wand hinab, während der Schweiß in einem steten Rinnsal an seinem Körper herunterlief.
All dies drang kaum ins Bewusstsein des konzentrierten Kletterers. Nach Minuten, die ihm wie eine Ewigkeit vorkamen, erreichte er ächzend und keuchend den winzigen Vorsprung zwanzig Meter unter dem Punkt, an dem
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