Draakk: Etwas ist erwacht. (Horrorthriller) (German Edition)
Kaffee. Den Wirt versetzte er damit offenbar ebenfalls in einiges Erstaunen, denn der versuchte nun fast angestrengt, ihm ein Gläschen seines berühmten Gebirgskräuters anzudrehen. Zum Aufwärmen, gegen die Kälte draußen, wie er sagte. Singer lehnte die Bemühungen des Wirtes dankend ab, woraufhin der sich kopfschüttelnd in die Küche zurückzog, offenbar im völligen Unverständnis darüber, wie man sich die hausgebrannte Köstlichkeit (die einen vermutlich auf der Stelle erblinden ließ) entgehen lassen konnte.
Etwa fünfzehn Minuten später kam er mit drei dampfenden Schüsseln zurück, die er vor die ausgehungerten Reisenden auf die Theke stellte.
»Wohl bekomm's«, sagte er und packte einen kleinen Korb mit frischem Brot dazu, höchstwahrscheinlich aus dem hauseigenen Backofen oder aus dem des hiesigen Bäckers. Dessen köstlicher Geruch wurde nur noch von seinem Geschmack übertroffen und binnen kürzester Zeit waren sowohl die drei Schüsseln als auch der Brotkorb restlos geleert. Man mochte von dem Schankwirt halten, was man wollte, überlegte Singer, kochen konnte er jedenfalls.
Singer bestellte noch einen Kaffee, Martin tat es ihm gleich und Antonia gab sich alle Mühe, nicht auf der Stelle mit dem Gesicht auf der Theke einzuschlafen. Während sie in ihrem frisch Gebrühten rührten, hatte der Wirt wieder Aufstellung an seinem alten Posten hinter der Theke bezogen und wischte sie erneut blitzblank, zum gefühlt einmillionsten Mal. Dabei fiel Singer auf, dass der Mann hin und wieder scheele Blicke auf seine Tochter warf, die man kaum mehr als verstohlen bezeichnen konnte, und dass es auf ihrem Teil des Tresens offenbar ganz besonders viele unsichtbare Flecken wegzuwischen gab.
Als Singer die bullige Gestalt des Wirtes mit den seltsam garstigen Äuglein musterte, fielen ihm noch mehr Dinge auf, die in einem Teil seines Verstandes eine unbestimmte Art von Abneigung erzeugten. Er konnte den Finger nicht darauf legen, was genau ihn störte an diesem Wirt mit der Stupsnase in dem teigigen Vollmondgesicht über dem borstigen Schnurrbart – aber Singer wusste, dass die schmutzig-braunen Soßenflecken am Revers des Trachtenhemdes genauso mit seiner Abneigung zu tun hatten wie der abstoßende, leuchtend rote Pickel auf der linken Wange des Mannes und die aufgesprungenen fiebrigen Lippen, über die er sich ständig zu lecken schien. Das, und wie er Antonia ansah.
Dem Wirt selbst waren Singers Beobachtungen offenbar entweder entgangen oder schlichtweg schnuppe. Er baute sich direkt vor Antonia auf, die verträumt in den Resten ihrer Käsesuppe stocherte, lehnte die mächtigen Unterarme auf den Tresen und fragte sie dann im besten Schweizerdeutsch, das er zustande brachte, so etwas Ähnliches wie: »Also, ihr Leut', wo seid ihr denn hin unterwegs?«
Gute Frage, dachte Singer. Und du bist so ziemlich der Letzte, dem ich die Antwort darauf auf die Nase binden würde. Aber vielleicht kannst du uns trotzdem nützlich sein. Also log er ins Blaue hinein.
»Wir haben eine Pension gebucht. Winterurlaub, wissen Sie? Die Kids und ich und nur der Hang, herrlich!«, sagte er und imitierte mit seiner Hand ein Snowboard, das auf einer imaginären Piste hinabglitt. Zumindest stellte es das seiner Meinung nach dar; Wintersport war noch nie seine große Leidenschaft gewesen. Dabei hatte er selbstverständlich keine Ahnung, ob es in der Nähe der Hütte des alten Suter überhaupt einen vernünftigen Skihang gab, aber er schätzte, auch das würden sie bald herausfinden.
»Ach, Schneeschuhfahren wollt ihr! Und bei diesem Wetter.«
»Genau. Uns macht das nichts aus, wissen Sie? Wir fahren immer um diese Jahreszeit. Unsere Pension heißt »Alpenblick«. Sie gehört einem
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