Draakk: Etwas ist erwacht. (Horrorthriller) (German Edition)
beleuchtete Gebäude im ganzen Dorf war. Instinkt. Hoffnung. Licht.
Mit einem endgültig wirkenden, lauten Poltern stemmte Singer die schwere Eichentür zu. Das Letzte, was er draußen sah, war das dümmliche Gesicht des Wirtes mit der blühenden roten Pustel auf der Wange, der in der Dunkelheit auf sie zustolperte.
Brüche
M artin ließ den verletzten Jungen bei den beiden Mädchen zurück und eilte Singer zu Hilfe. An der Innenseite der Tür war ein massiver gusseiserner Riegel angebracht. Martin warf sich mit voller Wucht dagegen, während Singer gleichzeitig daran zog. Gemeinsam bugsierten sie das schwere Metallstück quietschend in die uralte Einrastung. Der Riegel setzte ihnen einigen Widerstand entgegen – offenbar war er schon länger nicht bewegt worden, aber schließlich senkte es sich krachend in das metallene Gegenstück. Singer und Martin drehten sich keuchend zu den anderen um.
Wenn sie erwartet hatten, dass die Dorfbewohner versuchen würden, ihnen in die Kirche zu folgen, so wurden sie in dieser Hinsicht enttäuscht. Kein dumpfes Aufprallen von Körpern, die sich gegen die Kirchentür warfen und dabei verzweifelt stöhnten wie die Zombies in den alten Gruselfilmen (sie waren stumm und das war irgendwie viel schlimmer!), keine berstenden Scheiben oder in aller Eile zusammengebastelte Molotow-Cocktails, die durch die hohen Fenster flogen – stattdessen nur die Stille.
Sie hatten die Kirche für sich, vorerst. Das Kirchenschiff fasste etwa dreißig kleine Holzbänke zu beiden Seiten des Mittelgangs. Gegenüber der Eingangstür stand ein schlichter, weißer Holzaltar unter einer beeindruckenden Plastik des gekreuzigten Christus. Inklusive Kreuz, in voller Lebensgröße. Das Licht, welches durch die hohen Buntglasscheiben gedrungen war, stammte von unzähligen Kerzen, die an den Wänden auf schmalen Brettern standen und die kleine Kirche mit goldenem Strahlen erfüllten. In jeder anderen Situation wäre es ein geradezu anheimelnder Anblick gewesen, aber jetzt fragte sich Singer unwillkürlich, aus welchem Grund hier ein solches Lichterfest veranstaltet worden war. Wessen Seelen auf diese Weise erhellt werden sollten. Ihn beschlich eine düstere Ahnung, als er an den Wirt und seinesgleichen draußen vor der Kirche dachte.
Singers Blick fiel auf das enorme Holzkreuz und das leidende Gesicht des lebensgroßen Heilands. Dicke Blutstropfen auf einer schmerzverzerrten Stirn, aufgerissene Augen, die um Erlösung von unendlichen Qualen zu flehen schienen. Noch mehr Blut, an den Händen und Fußgelenken, durch die man schwere Nägel getrieben hatte. Eine Dornenkrone zierte das geschundene Haupt der Figur und über ihrem Kopf prangte die höhnische Verkündung das Kürzel INRI; IESVS NAZARENVS REX IVDAORVM - Jesus von Nazareth, König der Juden . Alles an diesem Bild sprach von Boshaftigkeit und Sadismus, und der Lust, sich daran zu ergötzen. War das die wahre Botschaft des Heilands gewesen? War er der Spiegel der wahren Neigungen der Menschheit zu Beginn eines neuen, düsteren Zeitalters? Sehet und erkennet Euch selbst? Und war die Prophezeiung dieses Zeitalters nun hier zu ihrer Erfüllung gekommen, in einem kleinen Dorf am Rande der Alpen?
Die Vorstellung, dass ein ganzes Dorf sonntags in dieser Kirche saß und mit leuchtenden Augen das Bild eines vor langer Zeit zu Tode gefolterten Mannes anbetete, bereitete ihm plötzlich Übelkeit und Kopfschmerzen. Er hatte nie wirklich darüber nachgedacht, doch in diesem Moment wurde ihm mit einigem Entsetzen klar, wie falsch diese Zeremonie schien. Esst dieses Brot, denn es ist mein Leib. Trinkt diesen Wein, denn er ist mein Blut … Blut.
Er
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