Draakk: Etwas ist erwacht. (Horrorthriller) (German Edition)
Frau nicht hatte helfen wollen. Er hatte sie zu den besten Ärzten geschickt, die sich für Geld auftreiben ließen. Neurologen, Therapeuten, Psychoanalytiker, die ganze Palette. Bis ihm auch dies irgendwann zu peinlich geworden war.
Ein knappes Jahr später war Anna bereits von einem guten Dutzend rezeptpflichtiger Antidepressiva abhängig und nur noch selten wirklich ansprechbar. Die Mittelchen sorgten dafür, dass sie funktionierte. Ausreichend gut, um jeden Morgen aufs Neue das immer gleiche Schauspiel darzubieten. Noch einen Tag, eine Woche, einen Monat.
Außerdem brachten diese Mittelchen sie ganz allmählich um.
Es hatte Singer innerlich zerrissen , dem Verfall seiner Frau tatenlos beizuwohnen. Es schmerzte, Anna dabei zusehen zu müssen, wie sie zu einer blassen Hülle ihrer selbst wurde, sich vor seinen Augen in ihr eigenes Gespenst verwandelte.
Also trat er den Rückzug an, als ihm nichts anderes mehr einfiel, das er hätte tun können. Er floh in seine Arbeit und begann mit seinen eigenen Mittelchen . Seine waren allerdings zur Gänze rezeptfrei und in jedem Supermarkt zu bekommen, wenngleich er den gut sortierten Einzelhandel bevorzugte.
Es war einer von Annas letzten wachen Momenten gewesen, als sie über die Scheidung gesprochen hatten. Sachlich und nüchtern – und ungemein verständnisvoll hatten sie sich gegenseitig mit vernünftig klingenden Floskeln bombardiert. Anna brauche »einfach eine Auszeit«, man habe sich »aus den Augen verloren«, die Arbeit war in den Vordergrund gerückt, bis man sich »einfach nichts mehr zu sagen gehabt hatte« und »Antonias Wohl war jetzt erst einmal das Wichtigste«. Natürlich. Diese in Klischees ertränkten Phrasen waren an Leere kaum zu überbieten gewesen. Kein Wort von den Unmengen von Pillen im Arzneischränkchen. Kein Wort von den leeren Flaschen teurer Whiskymarken, die sich in der Garage bis zur Decke stapelten.
Als es vorbei gewesen war, hatte Singer auf der Stelle das Christiansens angesteuert. Dann hatte er sich in der noblen Whiskybar betrunken, bis er sich auf der dunklen Edelholztheke die Stirn aufgeschlagen hatte, beim vergeblichen Versuch, nicht vom Barhocker zu rutschen.
Tags drauf hatte er sich in einem der besseren Hamburger Hotels einquartiert und war erst in die ehemals gemeinsame Stadtwohnung zurückgekehrt, als Anna mit Antonia schon in ihr kleines Häuschen am Rand von Hamburg gezogen war. Sie hatte ihm sogar einen Zettel hinterlassen, auf dem Tisch in der ansonsten leer geräumten Küche. Dass er sie jederzeit anrufen könne, wenn er meine, etwas von seinen Sachen zu vermissen und dass sie ihm die Papiere schnellstmöglich zuschicken würde.
In Liebe, Anna.
Die Scheidungspapiere waren ihm im Institut zugestellt worden, wahrscheinlich hatte Anna einfach nicht gewusst, in welchem Hotel er sich befand, und er hatte sie auch nicht angerufen, um es ihr mitzuteilen. Im Institut war er ohnehin die meiste Zeit über. Ihr Anwalt hatte recht saftige, aber Singers Gehalt durchaus angemessene Unterhaltsforderungen gestellt. Singer hatte die Papiere sofort unterzeichnet.
Keine drei Monate später war er vollständig in der Arbeit an dem Amazonas-Projekt vergraben.
P.S.
A ntonia hatte in den fünfzehn Monaten nach der Scheidung die meiste Zeit bei Anna verbracht. Sie hatte ihm einen einzigen Brief nach Peru geschrieben, knapp und ziemlich offensichtlich auf die Bitte ihrer Mutter hin. Belanglosigkeiten aus Deutschland, die im Licht seiner bedeutenden Forschungen verblassten, so hatte er es zumindest damals empfunden. Und doch – etwas an dem Brief hätte ihn vielleicht stutzig machen müssen, ihn
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