Draakk: Etwas ist erwacht. (Horrorthriller) (German Edition)
ziehen Sie bitte das da an.« Er deutete auf die weißen Stapel auf der Bank.
Etwa fünfzehn Minuten später trat Singer wieder aus dem Umkleideraum – die spätabendliche Dusche hatte ihn endgültig munter gemacht und die letzten Spuren des Alkohols erfolgreich aus seinem Kreislauf vertrieben. Draußen wurde Singer von den beiden bewaffneten Soldaten in Empfang genommen, die im grau getünchten Gang tapfer die Stellung gehalten hatten. Murnauer hingegen war verschwunden.
»Wozu betreibt ihr eigentlich all diesen Aufriss hier unten, hm?«, versuchte Singer ein Gespräch mit einem der Soldaten in Gang zu bringen.
»Quarantänemaßnahmen«, lautete die Antwort, die allerdings nicht von dem angesprochenen Soldaten kam, sondern direkt hinter Singer ihren Ursprung hatte. »Man hält uns offenbar für schrecklich schmutzige Lausebengel.«
Singer drehte sich um und blickte in das vollbärtige Gesicht eines stämmigen Mannes um die fünfzig. Eine wirre, nach allen Seiten abstehende Lockenpracht in sämtlichen Schattierungen von Grau und Weiß sowie ein Paar in unzählige Lachfältchen eingebettete Augen ließen Singer unwillkürlich an Tannenbäume und vor dem Kamin aufgehängte Socken denken – lediglich die reinweiße Kleidung, eine identische Ausgabe von Singers eigener Haute Couture , störte das Bild ein wenig.
»Dr. Schlesinger zu Ihren Diensten«, sagte der breit grinsende Weihnachtsmann und streckte Singer seine kräftige Rechte entgegen. »Astrophysik«, fügte er in einem Ton hinzu, als würde dies alle offenen Fragen restlos und endgültig klären. Was es natürlich nicht tat, im Gegenteil.
Astrophysiker, dachte Singer, in einem biologischen Geheimlabor unter der Erde? Was kam als Nächstes? Ein künstlicher Gletscher, auf dem der Yeti herumtollte und unter Aufsicht stirnrunzelnder Verhaltenspsychologen einen Schneemann baute? Oder ein riesiges Bassin, in dem Nessie quietschvergnügt plantschte und ab und an durch brennende Reifen sprang? Diese Nacht wurde in der Tat von Minute zu Minute wunderlicher und hatte ihren Höhepunkt offenbar noch längst nicht erreicht.
Vermutungen
D ie Soldaten machten mit einer steifen Drehung auf ihren Absätzen kehrt und stiefelten den Gang zurück in die Richtung, aus der sie mit Singer gekommen waren.
»Dr. Singer, Zoologie«, stellte sich der immer noch leicht verwirrte Biologe seinem Gegenüber vor und erwiderte dessen kräftigen Händedruck. »Quarantäne? Sollten wir uns dann nicht besser beim Hinausgehen die Hände waschen wie brave kleine Jungs?«
Schlesinger lachte laut und herzlich. »Da haben Sie recht, mein lieber Dr. Singer. Oder hätten Sie, wenn es sich denn um eine isolierte Quarantäne hier drin handeln würde.«
»Tut es nicht? Mir erscheinen fünf Stockwerke unter der Erde reichlich isoliert.«
»Freilich«, grinste Schlesinger und zwinkerte verschwörerisch, »Allerdings glaube ich nicht, dass es darum geht, die Außenwelt gegen Keime oder Bakterien von hier drinnen abzuschirmen. Verstehen Sie? Vielmehr sollen wir wohl unsere Keime nicht hier reinschleppen .«
Damit wandte sich der Physiker um und drückte eine schwere Glastür zu einem großen, dezent beleuchteten Raum auf. »Kommen Sie, ich stelle Sie den anderen vor. Es gibt Kaffee, und wie Sie aussehen, haben Sie den mindestens genauso nötig wie ich.«
Sofern das in der betont klinischen Umgebung des unterirdischen Betonklotzes überhaupt möglich war, strahlte die Lounge, in die Schlesinger ihn führte, eine fast schon anheimelnd zu nennende Atmosphäre aus. In der Ecke brodelte eine gigantische Kaffeemaschine vor sich hin und der Duft von frisch Gebrühtem
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