Drachen der Finsternis
und winkte Arne, ihn zu begleiten.
»Lass uns ein Stück gehen«, sagte er. »Es ist eine schöne Nacht.«
Und Arne folgte ihm, ohne zu widersprechen.
Als das Feuer nur noch ein Punkt in der Ferne war, drehte Christopher sich um und sah zurück. Aber außer den Resten der Glut war nichts mehr dort zu erkennen.
Christopher ging noch ein Stück weiter und setzte sich schließlich auf einen Felsen und sah hinab ins nächste Tal. Irgendwo dort in der Ferne glühten andere Punkte; andere Feuer, weit, weit in der Ferne.
Arne setzte sich neben ihn, schweigend.
»Ich dachte, es wäre besser, die beiden einmal allein zu lassen«, sagte Christopher nach einer Weile.
»Ich habe die ganze Zeit darüber nachgedacht«, gab Arne zu. »Und ich konnte nicht herausfinden, mit wem von euch beiden sie –«
Christopher legte den Finger an die Lippen. Er sah Arne an und lächelte.
»Ich mag dich sehr, Arne«, sagte er. »Ich habe dich immer bewundert, so wie alle. Und natürlich bist du der Ältere und ... Aber die Welt ist komplizierter, als du denkst.«
»Vielleicht«, sagte Arne.
»Nicht, dass ich es verstehe.« Christopher lachte leise. »Ich verstehe gar nichts. Auch Niya nicht. Sie liebt das Leben, aber sie liebt auch den Tod, und manchmal ist es, als müsste sie noch etwas erledigen, ehe sie ihn umarmt. Jemanden töten. Jemanden retten. Mit jemandem schlafen. Als wüsste sie, dass sie nicht mehr viel Zeit hat.«
»Aber – warum? Warum soll ihr nicht so viel Zeit bleiben wie uns allen?«
Christopher zuckte die Schultern. »Vielleicht gibt es keinen Platz für sie in der Welt, die nach dem Chaos kommt«, sagte er. »Vielleicht ist sie nicht gemacht für den Frieden.«
Arne streckte seine Hand aus und berührte Christophers Wange –
»Du weinst ja«, sagte er.
Christopher schüttelte unwillig den Kopf. »Das ist der Tau in der Nachtluft«, sagte er.
Arne legte seinen Arm um ihn, wie er es früher getan hatte, und so saßen sie und sahen in die Zukunft hinaus, die man nicht erkennen konnte in der Dunkelheit.
»Da sitzt mein kleiner Bruder im Tau«, sagte Arne, »und ist so weise geworden und mir beinahe fremd. Wenn es sich nicht so überheblich anhören würde, würde ich sagen, dass ich stolz auf ihn bin.«
Christopher lehnte seinen Kopf an Arnes Schulter.
»Weißt du noch«, flüsterte er, »damals, als ich mir kurz vor Weihnachten den Knöchel verstaucht hatte und du mich huckepack in die Kirche getragen hast?«
»Natürlich weiß ich das noch. Wir haben den ganzen Weg über gekichert, und beinahe wäre ich auf einer vereisten Pfütze ausgerutscht und hätte mir auch noch ein Bein gebrochen.«
»Jetzt ist bald wieder Adventszeit«, sagte Christopher. »Und irgendwann kommt Weihnachten. Ich frage mich, ob unsere Eltern in diesem Jahr ohne uns feiern werden. Es wird so leer sein und so traurig zu Hause. Ob sie einen Baum haben, wenn wir nicht da sind?«
»Oh, sie werden einen Baum haben«, antwortete Arne fest. »Und wir beide werden ihn schmücken, und wie ich dich kenne, wirst du von der Leiter fallen und dir irgendetwas brechen.«
Der nepalesische Kronzprinz schlief tief in dieser Nacht, tief und traumlos. In seinen Armen schlief ein Mädchen mit wirrem, schwarzem Haar.
Als er aufwachte, war sie nicht mehr dort.
Er fuhr hoch und sah sich um, verwirrt zunächst, den Schlaf noch im Kopf und in den Augen.
Zwei Schlafende lagen unweit neben der kalten Feuerstelle, in ihre Jacken gewickelt: Christopher und Arne. Dann drehte er sich um und sah sie.
Sie stand aufrecht in einem frühen Sonnenstrahl und hielt ihr Messer in der Hand, die Klinge blitzend im Licht des Morgens. Er erschrak. Aber sie lächelte. Zu ihren Füßen lag das schwarze, verfilzte Fell eines Tieres. Das Haar auf ihrem Kopf war kurz.
Leise stand Jumar auf und ging zu ihr hinüber.
Er griff nach ihrem Kinn, drehte ihren Kopf ein wenig, betrachtete, begutachtete und sagte schließlich: »Du bist schön. Aber warum hast du ...?«
»Man hätte sie nie wieder kämmen können«, antwortete Niya und lachte. »Und vielleicht wollte ich schön sein?«
»Komm mit mir fort«, sagte er. »Wenn all dies hier vorüber ist. Ich werde nach Europa gehen. Für eine Weile. Oder vielleicht nach Amerika. Komm mit. Ich meine es ernst.«
Sie fuhr sich durch das geschorene Haar, nachdenklich.
»Wer weiß«, antwortete sie vage. »Lass uns die anderen wecken. Es ist Zeit aufzubrechen.«
Sie frühstückten eine Dose mit eingelegten Früchten und etwas
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