Drachen-Mädchen
entschlossen, dem Wunsch seiner Mutter zu entsprechen, und hatte sich die Frau ausgesucht, mit der er seßhaft werden wollte. Es mochte zwar eine seltsame und unerwartete Vereinigung sein – aber sie leuchtete ein. Und außerdem kehrte es den Doppelfluch, den Zora abgefangen hatte, auf recht elegante Weise in sein Gegenteil um. »Viel Glück«, flüsterte sie.
Xavier drehte sich zu Zora um. »Fliegst du gerne?« fragte er.
»Ja, das tue ich«, sagte sie mit klar verständlicher Stimme. Ihre Zähne, die sie beim Sprechen zeigte, waren hart und klar wie polierter Stein.
»Das war aber ein sehr künstlerischer Antrag«, murmelte Chem.
Xavier hob Zora auf Xaps Rücken. Es war offensichtlich, daß sie an Gewicht gewonnen hatte, doch er war immer noch mehr als kräftig genug dafür. Dann stieg er hinter ihr auf den Hippogryph und legte die Arme um sie. »Wir bringen Mami die Samen«, sagte er zu Irene. »Zora hat sie sowieso dabei, und die Feder hab’ ich. Dann könnt Ihr Euch um Eure Sache kümmern.«
»Danke«, hauchte Irene, noch immer sehr benommen.
Der Hippogryph breitete seine prächtigen Schwingen aus.
»Wir sehen uns noch«, sagte Chem zu Xap.
Xap nickte mit dem Schnabel, dann erhob er sich in die Lüfte, dem Liebesquell entgegen.
»Das wird deiner Mutter aber gar nicht gefallen!« rief Grundy ihnen nach.
»Soviel ist sicher!« erwiderte Xavier grinsend. »Aber sie kann mich nicht daran hindern, ein gehorsamer Sohn zu sein!«
Dann waren sie auch schon am Himmel verschwunden. Irene spürte, wie ihr die Tränen in die Augen stiegen, und es waren keine Tränen der Trauer.
12
Gloria Kobold
»Ich bin die jüngste und schönste und liebste Tochter von Kotbold Kobold, dem Häuptling der Spaltenkobolde«, wiederholte Gloria, während sie zart an den zahlreichen Beerensorten und Früchten herumknabberte, die Hugo ihr herbeigezaubert hatte. »Und ich liebe ein ganz wunderbares Wesen.«
»Liebe ist aber nichts Trauriges«, meinte Ivy, die dabei an ihre Familie dachte. »Mein Vater meint, Liebe macht Spaß, und meine Mutter meint, es hängt von der Tageszeit ab.«
Gloria lächelte. »Die müssen es ja wissen. Aber verstehst du, das hier ist eine verbotene Liebe, und deshalb ist sie traurig.«
»Wieso kann man Liebe denn verbieten?« fragte Hugo. »Mein Vater sagt, daß mit Magie alles möglich ist, außer vielleicht ein Paradox, und daran arbeitet er gerade.«
»Was möglich ist, ist deswegen nicht unbedingt erlaubt«, erwiderte Gloria. »Man sollte die Liebe wirklich nicht verbieten. Aber immerhin ist er kein Kobold.«
»Hm, mein Vater meint, daß Kobolde mit Elfen, Gnomen und Zwergen verwandt sind«, sagte Hugo. »Sie gehören zu einer Humanoidenart, wie er es nennt. Also können sie sich auch paaren, und wenn sie auf einen Liebesquell treffen…«
»Das stimmt«, antwortete Gloria. »In Xanth können sich sämtliche Arten miteinander paaren, aber das geschieht in den seltensten Fällen freiwillig. Selbst wenn die eigentlich Beteiligten damit einverstanden sind, sind es andere Mitglieder ihrer Art dennoch nicht. Und manche Verbindungen sind ausdrücklich verboten. Ich liebe einen Harpyienmann.«
Die beiden Kinder blickten sie verständnislos an.
Gloria seufzte. »Ich sehe schon, ich muß da wohl erst einiges erklären. Die Kobolde und die Harpyien sind miteinander verfeindet, schon seit tausend Jahren.«
»Dann mußt du aber viel älter sein, als du aussiehst«, meinte Ivy verwundert.
Gloria lächelte erneut. Sie war ohnehin schon sehr schön, und wenn sie lächelte, schien plötzlich der ganze Wald zu leuchten. »Nein, ich bin erst sechzehn. Ich wollte nur sagen, daß die Feindschaft schon sehr alt ist.«
Ivy legte die Stirn in Falten. »Mein Vater hat etwas von einem Krieg erzählt, der vor langer Zeit stattfand. Er war dabei, als Schloß Roogna erbaut wurde. Ein Zauber…« Gloria legte die Stirn in zarte Falten. »Du solltest wirklich nicht flunkern, Ivy. Du weißt doch ganz genau, daß er unmöglich dabeigewesen sein kann…«
»Na ja, er war im Wandteppich, zusammen mit einer großen Spinne…«
»Ach so, du meinst, daß er es auf dem magischen Wandteppich auf Schloß Roogna mit angesehen hat! Davon habe ich schon gehört. Den würde ich auch gerne mal sehen.«
»Ich gucke ihn die ganze Zeit an«, sagte Ivy. »Aber ich schlafe immer ein, bevor es interessant wird.«
»Dein Vater arbeitet also auf Schloß Roogna.«
»Ja, meistens.«
Gloria zuckte mit den Achseln. Es schien sie nicht
Weitere Kostenlose Bücher