Drachen-Mädchen
allenfalls…«
»Nein!« schrie Hardy. »Versucht nicht, sie zu belasten! Ich will nicht auf ihre Kosten frei sein! Sie ist das liebste, unschuldigste Wesen, das man sich nur denken kann! Sie hat niemals irgend jemanden verdorben! Ich bin es, der schuldig ist!«
Kotbold nickte. »Das hätte selbst ich nicht besser formulieren können.«
Hugo musterte Hardy wie ein Drache, der mit einem in die Ecke getriebenen Beutetier spielte. »Wollt Ihr etwa Eure Aussage widerrufen?«
Der Harpyienhahn wirkte verblüfft. »Äh, nein, das nicht gerade…«
»Dann habe ich keine weiteren Fragen mehr und rufe Ivy als nächste Zeugin in den Stand.«
Wieder trat Ivy vor.
»Wer von den beiden hat wen aufgesucht?« fragte er sie. »Habt Ihr bemerkt, daß der Harpyienhahn das Koboldmädchen aufsuchte?«
»Na ja, Gloria hat gesagt…«
Er furchte kompetent die Stirn.
»Bitte kein Hörensagen! Was habt Ihr tatsächlich gesehen?«
»Na, daß Gloria losging…«
»Um den Harpyienhahn aufzusuchen?«
»Ja, wir haben ihr sogar geholfen, ihn zu finden.«
»Also könnt Ihr bezeugen, daß sie es war, die ihn aufsuchte, und nicht umgekehrt?«
»Ja, aber…«
»Danke, das genügt.« Hugo wandte sich wieder zu der Jury um. »Wie ihr bemerkt, ist der Harpyienhahn bereit, einen Meineid zu leisten und sich selbst zu belasten, um das Koboldmädchen zu retten, aber wir haben inzwischen völlig unabhängig davon feststellen können, daß tatsächlich sie es war, die die Initiative in die Hand genommen hat, und nicht er. Folglich ist der Angeklagte nicht der Verführung Minderjähriger schuldig, weil er es in Wirklichkeit war, der verführt wurde. So habt Ihr keine andere Wahl, als ihn freizusprechen.«
Die Geschworenen blickten verunsichert zu Kotbold hinüber.
»Lächerlich!« bellte der Koboldhäuptling. »Das tut alles nichts zur Sache! Schließlich steht der Schmutzfink hier unter Anklage – er ist es, der hingerichtet werden soll!«
»O nein!« schrie Gloria. »Ich habe es getan! Ich gestehe! Ich habe ihn verdorben! Ich bin es, die hingerichtet werden muß!«
»Als Kobolde«, warf Hugo aalglatt ein, »könnt Ihr vielleicht das Geständnis einer Harpyie verwerfen, aber nicht das Wort eines anderen Kobolds. Folglich…«
»Niemals!« schrien Kotbold und Hardy wie aus einem Mund.
Ivy wußte, daß der Häuptling nicht seine eigene Tochter hinrichten wollte; er wollte, daß sie einen Kobold heiratete. Hugo und Gloria hatten ihn in die Zwickmühle gebracht.
Doch Kotbold war gerissen und skrupellos, ein Muster von einem Koboldanführer. »Es steht weder dem Ankläger noch dem Verweiliger zu, das Urteil zu fällen«, erklärte er. »Das obliegt den Geschworenen.« Er drehte sich zu den anderen Kobolden um. »Jury – fällt euer Urteil! Ihr wißt, wie es zu lauten hat.«
Die Koboldjury grübelte einen Augenblick darüber nach, dann hatte sie begriffen, was er meinte. »Schuldig!« riefen alle im Chor.
»Aber das ist doch unfair!« protestierte Hugo und fiel dabei ein wenig aus seiner Rolle.
»Keine Sorge, wir werden dich Tölpel auch noch hinrichten, wenn wir mit dem Vogel fertig sind.« Kotbold wandte sich an Hardy. »Angeschlagener, Ihr seid der Verführung dieses unschuldigen Koboldmädchens für schuldig befunden. Ich verurteile Euch hiermit dazu…« Er hielt inne, um sich eine möglichst scheußliche Bestrafung auszudenken. »… am Pfahl verbrannt und als Abendessen gebraten zu werden!« Dann rief er den Koboldgeschworenen zu: »Los, holt Holz und Feuer. Wir werden ein Fest feiern!«
Die Kobolde jagten davon, auf der Suche nach Brennholz.
»Nein!« schrie Gloria unter Tränen. »Tu es nicht, Vater! Laß ihn frei! Ich werde alles tun…«
»Du wirst einen Koboldhäuptling heiraten«, erwiderte Kotbold. »Genau wie deine Schwester. Wenn der Vogel erst mal erledigt ist.«
Stanley hatte sich zwar schon fast befreit, doch es schien, als würde er Hardy nicht mehr retten können. Der Prozeß war zu kurz gewesen.
Die Kobolde schichteten einen Scheiterhaufen um Hardys Pfahl auf. Kotbold holte einen seiner Schätze hervor – ein großes mundanisches Streichholz. Die Mundanier praktizierten nur sehr wenig Magie, doch dieser feueranzündende Stock gehörte dazu. »Und wem soll nun das Privileg zuteil werden, die Gemüter der Versammlung zu erhitzen?« fragte er feierlich.
»Ich werde nie wieder auch nur ein Wort mit dir wechseln!« schrie Gloria ihren Vater hilflos an.
Ungerührt von dieser schrecklichen Drohung, drehte Kotbold
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