Drachen-Mädchen
Wort verstehen. Sag mir, Vater, genügt das als Beweis seiner Redefähigkeit?«
Kotbold wischte sich hastig ein Starren unfreiwilliger Bewunderung vom Gesicht.
»Muß zugeben – das können die Harpyien verdammt gut«, knurrte er.
»Nun gut«, sagte sie streng. »Angeklagter: Habt Ihr jemals ein Koboldmädchen geküßt?«
»Nur eins«, erwiderte Hardy.
Erneutes Geraune unter den Jurymitgliedern. »Der Hahn hat gestanden!« murmelte einer der Kobolde. »Macht den Strick fertig!«
»Und welche Absichten hegt Ihr gegenüber diesem Mädchen?« fragte Gloria.
»Sie zu heiraten und sie von all diesem hier zu befreien«, erklärte der Harpyienhahn.
Kotbolds Gesichtsfarbe wurde zu einem fleckigen Purpur. »Welch eine Frechheit dieser Kretin doch besitzt! Für den ist selbst eine Hinrichtung noch zu schade!«
»Aber Vater!« protestiere Gloria unschuldig. »Du hast doch immer selbst gesagt, das einzige, was noch schlimmer sei als der Tod, sei die Ehe!«
Ersticktes Gelächter in der Jury. »Weitermachen!« fauchte der Richter aufgebracht.
»Keine weiteren Fragen, Euer Ehren«, sagte Gloria mit einer gewissen zurückhaltenden Selbstzufriedenheit. »Der Verteidiger hat das Wort.«
Hugo stellte sich in der Mitte auf, die Hände noch immer auf dem Rücken gefesselt. Ein leises Knarzen, als der Drache eine weitere Masche des Netzes durchbiß.
Ivy wußte einfach, daß Hugo in dieser hoffnungslosen Situation brillant argumentieren würde; schon jetzt sah er unwahrscheinlich gut und zuversichtlich aus, trotz seiner Fesseln. Sie bemerkte, wie einige der Koboldgeschworenen vor Schreck beinahe umfielen, als erblickten sie ihn zum ersten Mal; sie hatten nicht damit gerechnet, daß er der Lage so gewachsen sein würde! »Gibt es ein Gesetz, welches die Ehe zwischen Harpyien und Kobolden verbietet?« fragte er rhetorisch. Berühmte Verteidiger, das wußte Ivy, waren immer gut in Rhetorik, obwohl sie sich nicht ganz sicher war, was dieses Wort zu bedeuten hatte.
Kotbold und die Geschworenen bogen sich vor Lachen. Schwarze Tränen der Belustigung traten ihnen aus den Augen, während sie sich am Boden kugelten.
»Aus diesem unangemessenen Frohsinn darf ich wohl schließen, daß es kein solches Gesetz gibt«, schloß Hugo glatt, genau wie Ivy es von ihm erwartet hatte. Ein Verteidiger dieses Kalibers ließ sich nicht von grobschlächtigem Verhalten aus der Fasson bringen. »Historisch gesehen hat es in der Tat viele solcher Verbindungen gegeben. Jeder von Euch könnte eine Harpyienhenne ehelichen, sofern ihm der Sinn danach stünde.«
Das erhöhte die Heiterkeit nochmals gewaltig. Nicht einmal ein Drachenhahn würde freiwillig eine Harpyienhenne ehelichen!
»Folglich«, schloß Hugo brillant, »kann ein Koboldmädchen auch einen Harpyienhahn ehelichen, wenn sie dies wünscht. Ergo gibt es weder einen Anklagegrund noch einen Anlaß für eine Hinrichtung. Daher beantrage ich, daß die Verhandlung aufgehoben und der Angeklagte freigelassen wird.«
Plötzlich wirkten die Kobolde sehr ernüchtert. »Unerhört!« rief Kotbold. »Eine Harpyie heiraten? Warum dann nicht gleich Zombiekot verschlingen?«
»Aber es gibt kein Gesetz dagegen«, beharrte Hugo. »Folglich kann Hardy deswegen auch nicht hingerichtet werden…«
»Kann er doch!« beharrte Kotbold. »Wegen Verführung meiner unschuldigen Tochter.« Die Geschworenen applaudierten.
»Nun gut«, sagte Hugo glatt, »dann rufe ich den Angeklagten als Zeugen.«
»Klar, der Hahn hat sich sowieso schon hübsch selbst belastet«, meinte Kotbold. »Soll er das ruhig weiterhin tun.«
Hugo wandte sich dem Pfahl zu. »Angeklagter, hat es zwischen Euch und dem Koboldmädchen schon vor dem heutigen Tag Gespräche zum Thema Eheschließung gegeben?« Je mehr Ivys Vertrauen in ihn wuchs, um so mehr begann sich Hugo wie ein richtiger Rechtsanwalt anzuhören.
»Ja«, sagte Hardy.
»Und wer von Euch hat das Thema aufgebracht?«
»Na ja, eigentlich sie. Ich meine, ich hätte sie ja sowieso gefragt, aber sie ist mir zuvorgekommen.«
Kotbold schnitt eine zornige Grimasse, griff aber nicht ein.
»Und habt Ihr den Antrag angenommen?« fragte Hugo.
»Selbstverständlich. Ich fühlte mich geschmeichelt. Ein solch hübsches Ding mit derart wunderschönen Beinen…«
Hugo drehte sich zu den Geschworenen um, die gerade die besagten Beine begutachteten. »Beachtet, wer hier wen verdorben hat! Sie hat ihm einen Antrag gemacht. Wenn also einer von beiden hingerichtet werden müßte, dann
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