Drachen-Mädchen
eines Kobolds in Brand setzte. Da Kobolde keine Hosen trugen, war der Effekt beachtlich.
»Aber Kobolde besitzen doch gar keine Magie!« sagte Ivy. »Und Harpyien auch nicht!«
»Jetzt schon«, erwiderte Hugo.
»Nein, nur Menschen besitzen ein magisches Talent«, beharrte Ivy. Doch dann fielen ihr die Zentauren ein. »Und Halbmenschen.«
»Na, sie ist doch ein Halbmensch, und er auch«, bemerkte er. »Wahrscheinlich haben sie zusammen ein ganzes Talent – nämlich die Unsichtbarkeit.«
Ivy erkannte, daß sie das verborgene gemeinsame Talent des Paars zur Entfaltung gebracht hatte, als sie in seine Nähe gekommen war. Zusammen war es Gloria und Hardy gelungen, unsichtbar zu werden. Weil niemand sie hatte sehen können, hatten sie sich befreien und Ivy und Hugo ungehindert helfen können.
Kotbold, der nicht auf den Kopf gefallen war – das hätte Ivy bestimmt gesehen! – begriff fast im selben Augenblick, was geschehen war. »Das sind die beiden!« rief er. »Schaut euch mal die Fußspuren an! In dem Scheiterhaufen muß Unsichtbarkeitsholz gewesen sein, und der Qualm hat sie erwischt! Folgt den Spuren!«
»Unsichtbarkeitsholz?« fragte Ivy. »Das sieht mir aber sehr sichtbar aus!«
»Kotbold weiß nichts von deinem Talent«, sagte Hugo. »Deshalb glaubt er an eine andere Erklärung. Was auch ganz gut so ist.«
Die Kobolde machten sich daran, der Fährte zu folgen – doch auch die brach plötzlich ab. »Er trägt sie durch die Luft davon!« sagte Hugo erfreut. »Er wird sie zwar nicht lange tragen können, dazu ist sie zu schwer, aber es dürfte genügen, um die Kobolde abzuhängen. Wir sollten besser fliehen, bevor sie sich an uns erinnern!«
So setzten sie sich wieder in Bewegung, bis der Lärm hinter ihnen verstummt war. Dann begann die Mundorgel wieder alles zu übertönen. Sie spielte eine üppige, sanfte Melodie.
»Ich bin froh, daß Gloria und Hardy entkommen sind«, sagte Ivy, als die drei sich wieder in Sicherheit wußten.
»Und ich bin froh, daß wir entkommen sind«, erwiderte Hugo. »Kotbold wollte uns nämlich auch umbringen!«
Da sie wußte, daß er recht hatte, erschauerte Ivy. Sie hatte immer nur das Beste von Leuten angenommen, doch nun lernte sie auf die harte Tour, daß das nicht immer gerechtfertigt war. Sie hatten mehr erhalten, als sie erwartet hatten, als sie auf Gloria Kobold gestoßen waren! Doch es war richtig gewesen, so zu handeln. Am Schluß hatte die Liebe triumphiert, wie es sich auch gehörte.
Die Suche, die Gefangenschaft, der Prozeß und die Flucht hatten den größten Teil des Tages beansprucht, und so aßen sie nun herbeigezauberte Früchte zu Abend. Dann entdeckten sie einige Hängemattenbäume und legten sich zur Ruhe. Stanley hatte ein wenig Schwierigkeiten, sich an eine Hängematte zu gewöhnen, doch als er den Trick endlich raus hatte, genoß er es. So schliefen sie einigermaßen bequem und wurden nur von wenigen bösen Träumen heimgesucht.
13
Hardy Harpyie
Nun waren sie nur noch zu viert: Chem, Grundy, die Gorgone und Irene. Das war in gewisser Weise eine Erleichterung, auch wenn die anderen durchaus ihren Teil zum Erfolg der Unternehmung beigetragen hatten. Die Erinnerung der Gorgone kehrte langsam, aber sicher zurück, nun, da sie sich wieder unter Freunden befand.
»Wir können zusammenarbeiten«, schlug Irene der Gorgone vor. »Grundy kann die Pflanzen befragen, ob sie was Neues über Ivy und Hugo wissen, und wenn Ihr dann wißt, wo Hugo ist, könnt Ihr sofort losgehen und nach ihm suchen.«
»Das leuchtet ein«, meinte die Gorgone.
»Das letzte, was wir von Ivy gehört haben«, fuhr Irene fort, »war, daß sie sich in der Höhle des Zyklopen befindet. Deshalb werde ich damit anfangen, nach der zu suchen. Ich habe zwar meine Efeu-Pflanze dabei, die mir bestätigt, daß Ivy gesund ist, aber die Muse meinte, sie würde bald in Schwierigkeiten geraten. Ich will sie nach Möglichkeit noch vor Mitternacht finden.«
Grundy fragte die örtliche Flora und Fauna aus. Er hatte Glück: Viele der Pflanzen und Tiere wußten, wo das gefürchtete einäugige Ungeheuer zu lagern pflegte. Die ganze Gegend war weitgehend von Drachen und Greifen gesäubert worden, und dies hauptsächlich wegen des unersättlichen Appetits auf Fleisch, den der Zyklop hegte. Die kleineren Lebewesen wußten das zu schätzen und meinten, daß der Zyklop eigentlich kein übler Bursche sei, doch trotz allem zogen sie es vor, ihm nicht unmittelbar zu begegnen – für alle Fälle.
Als Irene
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