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Drachenauge

Drachenauge

Titel: Drachenauge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne McCaffrey
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Mädchen vermieden es, einander anzusehen.
    »Wer hat die Heilsalbe zur Hand?«, durchbrach Grasella als Erste das Schweigen, das unerträglich zu werden drohte. »Meine Finger fangen schon wieder an zu jucken. Keiner hat mir gesagt, dass man Frostbeulen kriegt, wenn man einen Drachen pflegt.«
    Angie fand den Topf unter ihrer Felldecke und reichte ihn weiter.
    »Du zuerst«, bestimmte Debera und gab Grasella das
    Taubkraut.
    An diesem Abend wurde in der Unterkunft nicht
    mehr gescherzt und gelacht.
    »Ich hatte nicht viel Zeit«, erklärte Jemmy Clisser in un-verbindlichem Ton, als dieser ihn nach den Fortschritten der jüngsten Geschichtsballaden fragte. »Musste mich mit diesem Gesetzeskram befassen. Warum gebt ihr euch mit den schurkischen Grenzposten überhaupt so viel Mühe? Ladet sie doch einfach auf irgendwelchen Inseln ab, und damit hat es sich. Die Verhandlungen waren vollkommen überflüssig, eine Farce.«
    »Keiner der Prozesse war eine Farce, Jemmy«, widersprach Clisser so hitzig, dass Jemmy überrascht hochblickte. »Im Gegenteil, sie waren notwendig um zu beweisen, dass wir nicht willkürlich handeln.«
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    »Im Gegensatz zu Chalkin, wie?« Jemmy grinste, und
    sein unregelmäßiges Gebiss in dem langen, schmalen
    Gesicht wirkte noch wölfischer als sonst.
    »Genau.«
    »Ich finde, ihr verschwendet nur eure Zeit mit ihm.«
    Jemmy widmete sich wieder seiner Lektüre.
    »Was lesen Sie da?«
    »Das weiß ich noch nicht. Ich suche bestimmte Text—
    stellen, weil ich mir sicher bin, dass es eine Möglichkeit gibt, die Position des Roten Sterns zu bestimmen. Und zwar ist diese Methode extrem simpel. Leider kann ich mich nicht mehr erinnern, worum es sich dabei handelt, aber ich weiß genau, dass es in irgendeinem Bericht er-wähnt ist …«
    Gereizt schob er das Buch von sich weg. »Es wäre einfacher, wenn die Leute, die die alten Schriften kopieren, eine ordentliche Handschrift hätten. Es kostet zu viel Zeit und Mühe, diese Klauen zu entziffern.« Jählings fasste er über den unaufgeräumten Schreibtisch und hielt Clisser ein absonderliches Gerät unter die Nase.
    »Das ist Ihr neuer Computer.« Schmunzelnd betrachtete er Clisser, der den Gegenstand misstrauisch beäug-te – auf zehn schmale Stangen aufgereihte bunte Perlen, in zwei ungleich große Partien geteilt.
    »Was ist das?« Clisser griff danach und merkte, dass die Perlen an den Stangen entlangrutschten.
    »Früher nannte man das einen Abakus. Es ist eine Re-chenmaschine. Altmodisch, aber sehr genau.« Jemmy nahm ihm den Abakus ab und führte dessen Handhabung vor. »Dieser Apparat soll die elektronischen Rechner ersetzen. Die meisten funktionieren ja schon lange nicht mehr. Ach, ich habe da noch etwas Interessantes entdeckt.« Aus seinen Papieren fischte er ein Instrument, das aus einem Lineal mit einem zentralen Gleit-stück bestand, wobei beide Teile mit logarithmischen Skalen markiert waren. »Mit diesem so genannten Rechenschieber lassen sich komplizierte mathematische 297
     
    Berechnungen anstellen. Es geht beinahe so schnell wie mit einem digitalen Rechner.«
    Clissers Blick wanderte zwischen diesen beiden
    Geräten hin und her. »So sieht also ein Rechenschieber aus. Ich habe mal irgendwo gelesen, dass die Menschen früher dieses Instrument benutzten, aber ich hätte nie gedacht, dass auch wir eines Tages auf derlei antiquier-te Techniken zurückgreifen müssten. Gute Arbeit, Jem-my, Sie haben wirklich Hervorragendes geleistet, als Sie diese alten Methoden zu neuem Leben erweckten.«
    »Wie man seinerzeit die Bahn des Roten Sterns berechnete, finde ich auch noch heraus, sowie Sie mich mit meinen Studien allein lassen und mir nicht noch mehr dringende Forschungsaufgaben zumuten.«
    »Ich hoffe nur«, entgegnete Clisser so diplomatisch wie möglich, »dass ich zur Wintersonnenwende und am Ende des Planetenumlaufs mit ein paar greifbaren Resultaten aufwarten kann.«
    Jemmy richtete sich kerzengerade auf, legte den Kopf schräg und starrte Clisser versonnen an. Clisser wagte kaum zu atmen, aus Angst, er könnte Jemmy aus seiner Konzentration reißen.
    »Verflixt noch mal!« Jemmy sank wieder auf seinem
    Stuhl zusammen und trommelte frustriert mit den
    Fäusten auf die Tischplatte. »Es hatte mit der Sonnenwende zu tun.«
    »Nun, wenn wir schon in die Zeiten des Rechenschiebers und Abakus zurückfallen, warum nicht auch gleich eine Sonnenuhr einrichten?«, schlug Clisser spaßeshalber vor.
    Abermals drückte Jemmy das Kreuz durch.

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