Drachenauge
Runde ließen den Tadel an dem
übermütigen jungen Weyrführer abprallen. S'nan hüstelte und stürzte sich von neuem in seinen Vortrag. »Die beiden nächsten Schauer stellen für ungeübte Geschwader das größte Risiko dar«, dozierte er, B'nurrin bedeu-tungsschwanger fixierend, derweil er mit dem Stift den Verlauf der Fädenwolke nachzeichnete. »Der erste fängt östlich über dem Ozean an und zieht sowohl den Benden-Weyr wie auch Burg Bitra in Mitleidenschaft, ehe er kurz vor dem Igen-Weyr versiegt. Normalerweise wür-de er vom Igen-Weyr und dem Benden-Weyr vereint bekämpft. Der zweite Regen setzt am Nordende der
Nerat-Halbinsel ein, folgt ihrem Verlauf über die gesamte Länge, streift die Ostküste von Keroon und das östliche Kap von Igen, um gleich dahinter im Meer
auszuklingen. Auch in diesem Fall sollten sich die Geschwader zusammentun, wobei Benden die Verteidigung von Nerat übernimmt, Igen sich um den nördlichen Teil Keroons kümmert und Ista Süd-Keroon
abdeckt …«
»Wir alle wissen doch, wann wir wo eingesetzt werden, S'nan«, schnitt M'shall ihm das Wort ab.
»Ja, ja, natürlich.« Abermals räusperte sich S'nan.
»Allerdings«, und hier betrachtete er der Reihe nach die am Tisch versammelten Burgherren, »wurde bei der
letzten Versammlung der Weyrführer beschlossen, dass jeder Weyr für den ersten Einsatz ein Doppelgeschwa-der zur Verfügung stellt. Da dies für uns alle eine völlig neue Erfahrung ist, sollte sich jeder Weyr schon aus ei-genem Interesse gleich am ersten Kampf beteiligen.«
»Ich finde, Erfahrungen sammeln wir ohnehin beim
ersten Einsatz im Süden«, wandte B'nurrin ein. »Alle Fäden, die die Drachen nicht erwischen, fallen ins Was-39
ser oder gehen auf nahezu unbesiedeltes, brach liegendes Terrain nieder.«
»B'nurrin!«, schritt M'shall mahnend ein, ehe der verblüffte S'nan den Mund öffnen konnte.
K'vin teilte B'nurrins Ansicht und stärkte ihm den
Rücken, doch sie wurden von den älteren Weyrführern überstimmt. Vermutlich nahm B'nurrin sogar die Gelegenheit wahr, mit seinen Geschwadern an Orten
zu ›üben‹, an denen er nicht das geringste verloren hatte.
Unbeirrt durch die Unterbrechung setzte S'nan seine Belehrungen fort. »Während der Ersten Annäherungsphase erließen unsere Ahnen ein Gesetz, das die Burgherren dazu verpflichtete, Bodenmannschaften bereitzustellen, deren Einsatz von den jeweiligen Weyr-führern koordiniert wird. In diesem Fall wäre Weyrführer M'shall zuständig.« Er nickte dem Bronzereiter von Benden kurz zu. Dann verbeugte er sich höflich vor dem Chefingenieur. »Meister Kalvi hat mir mitgeteilt, dass seine Gießerei ausreichend HNO3-Zylinder herstellen kann, mit denen die Bodenteams ausgerüstet werden. Das HNO3 muss indessen am betreffenden Ein—
satzort abgefüllt werden. Wie damals, zu Zeiten unserer Vorväter, stellt auch dieses Mal das Ingenieurcorps Arbeitskräfte und Material als Beitrag zur Erfüllung seiner Bürgerpflicht. Gegen Jahresende werden die Tanks an alle Beteiligten verteilt sein.« Wie immer, befleißigte sich S'nan auch jetzt einer präzisen Ausdrucksweise und verschmähte den neuen Ausdruck ›Planetenumlauf‹, der sich bei der jüngeren Generation durchgesetzt hatte.
Kalvi erhob sich von seinem Platz. »Jedes größere Gemeinwesen erhält von uns eine dreitägige Schulung, in der die Bodenteams mit der Wartung und Instandset-zung der Flammenwerfer vertraut gemacht werden.
Praktische Übungen sind auch vorgesehen.« Er verla—
gerte sein Gewicht von einem Bein auf das andere und 40
schickte sich an, noch mehr zu sagen, doch S'nan bedeutete ihm durch ein Handzeichen, er möge sich wieder hinsetzen.
Mit einem ärgerlichen Schnauben nahm Kalvi Platz.
Alsdann wandte sich der Weyrführer von Fort an
Corey.
»Stimmt es, dass Sie ebenfalls ein dreitägiges Trainingsprogramm abhalten, um die Burgbewohner in
Brandbekämpfung und Erster Hilfe bei Verletzungen
durch die Fäden zu unterrichten?«
Corey stand nicht auf, sondern deutete lediglich ein Nicken an.
»Die Burgherren müssen jedem Bodenteam Sanitäter
zur Seite stellen, oder ein Mitglied der Crew in Erster Hilfe ausbilden. Dazu gehört die Bereitstellung von Taubkraut, Fellis-Saft und anderen notwendigen Heil-mitteln.«
»Und nun«, er klappte die oberste Karte um, »zu den Reitern und Reiterinnen, die an vorderster Front kämpfen. Ich habe sämtliche Weyr inspiziert und vermochte nirgendwo gravierende Mängel zu entdecken.
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