Drachenauge
resolut.
Schweigend nahm Paulin seinen Platz auf dem Bronzedrachen ein.
Er hoffte, die beiden Skeptiker seien nun bekehrt und würden nicht länger Chalkins Absetzung bedauern.
Dann kreisten seine Gedanken um das übermalte Porträt. Er nahm sich vor, Iantine, der sich zur Zeit im Telgar-Weyr aufhielt, eine Nachricht zu schicken und ihn zu fragen, wann er Zeit hätte, ihn und seine Frau zu malen.
Paulin war mit sich zufrieden, weil er es geschafft hatte, den knurrigen, nörglerisch veranlagten Lord Jamson zu einem Besuch der Burg Bitra zu bewegen. Er konnte es kaum abwarten, demnächst mit Lady Thea zu sprechen. Hoffentlich konnte sie ihm berichten, dass Gallian bei seinem Vater nicht länger in Ungnade war.
»Du kannst nicht allein die ganze Welt vor dem Fädenfall retten, P'tero«, schimpfte K'vin und blitzte den jungen blauen Reiter wütend an. Er war beinahe außer sich vor Zorn, weil P'tero jede Vorsichtsmaßnahme missach-420
tete. »Es ist nicht nötig, dass du M'leng mit deinen Kapriolen beeindruckst. Wenn du glaubst, du hättest das nötig, dann wirst du eine lange Zeit als Meldereiter verbringen.«
»Aber, aber …«
»Außerdem sagt Maranis, dass deine Wunden noch
nicht ausreichend verheilt sind, um dich wieder für diensttauglich zu erklären.«
»Aber, aber …«, stammelte P'tero erneut. Er klammerte sich an die Nackenwülste seines Drachen, um nicht herunterzurutschen. Dabei glitt das Sitzkissen, das T'sen ihm geschenkt hatte, zu Boden. Es war blutbefleckt.
»Absitzen! Sofort!«, donnerte K'vin.
P'tero gehorchte so schnell er konnte, doch seine Ge-lenke waren vom Training steif, und sein Hinterteil schmerzte.
K'vin packte ihn bei der Schulter und drehte ihn einmal um die eigene Achse.
»Auf deiner Kleidung sind nicht nur frische, sondern auch alte Blutflecken! Du bist vom Dienst befreit!«
»Aber … aber … der Fädenfall steht kurz bevor!«,
wehrte sich P'tero verzweifelt. Vor Frustration und Furcht, sich vor M'leng zu blamieren, war er den Tränen nahe. Er wollte seinem Geliebten unbedingt beweisen, dass er Mut hatte.
»Und diese Plage wird uns die nächsten fünfzig Jahre lang heimsuchen, junger Mann. Das dürfte wohl ausreichen, um dir und Ormonth genügend Arbeit zu verschaffen. Du meldest dich umgehend bei Maranis.«
»Aber ich muss beim ersten Geschwadereinsatz
dabei sein!«, schrie P'tero.
»Ausgeschlossen! Begib dich auf der Stelle zu Maranis!«
K'vin wartete nicht ab um sich zu überzeugen, ob
P'tero sich fügte. Er stürmte durch den Kraterkessel, weil er fürchtete, aus Wut könne er sich an dem blauen Reiter vergreifen.
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Ormonth hat versucht, ihn vom Fliegen abzuhalten , infor-mierte Charanth seinen Reiter.
K'vin blieb stehen und blickte zu seinem Drachen
empor, der sich auf dem Felsband sonnte.
Dann bist du genauso unvernünftig wie die beiden! , stutzte K'vin ihn zurecht und bemerkte zufrieden, wie sein Drache vor seinem Zornesausbruch zurückprallte.
Von jetzt an wirst du mich unverzüglich benachrichtigen, wenn ein Reiter oder sein Drache nicht hundertprozentig fit sind! , befahl er. Hast du mich verstanden?
Charanths Augen kreisten wie wild, und ihre blaue
Tönung verfärbte sich langsam zu einem grellen Gelb.
Seine Stimme klang reumütig.
Ich werde dich nicht enttäuschen.
Im Falle einer echten Gefahr hätte ich mich eingemischt! , ließ Meranath sich plötzlich vernehmen.
Ich habe dich nicht gefragt! K'vin war so aufgebracht, dass es ihm gleichgültig war, ob er Meranath oder ihre Reiterin beleidigte. Aber er hatte nicht die Absicht, seine Leute durch Unachtsamkeit und falschen Helden-mut zu gefährden. Vor ihnen lagen fünfzig Jahre, in denen es galt, die Fäden zu bekämpfen, da wurden jeder Reiter und jeder Drache gebraucht.
Wenn du glaubst, ich würde diesen Leichtsinn durchgehen lassen …
K'vin rannte die Stufen zum Weyr hinauf, um seine
Wut abzureagieren, ehe er Zulaya gegenübertrat und
ihr zu erklären versuchte, wieso er ihre Königin in dieser barschen Weise abgekanzelt hatte.
Ich muss wissen, wann ein Reiter oder ein Drache nicht einsatzfähig sind, Meranath. Das dürfte dir bekannt sein.
Beim ersten Ei, wieso bist du überhaupt die Oberste Königin?
»Weil ich ihre Reiterin bin!« Zulaya kam auf das Felsband gestürmt; ihre Augen glitzerten wütend. »Wie kannst du es wagen, in diesem Ton mit meiner Königin zu sprechen?«
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»Wie kann sie es wagen, mir Informationen vorzu—
enthalten?«
Verblüfft starrte
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