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Drachenauge

Drachenauge

Titel: Drachenauge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne McCaffrey
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nicht die einzige Gefahr, vor der Meister Domaize ihn hätte warnen sollen.
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    Bald fand Iantine selbst heraus, welche Fußangeln in Bitra auf ihn lauerten, besonders, was die Interpretation des Begriffs ›zufrieden stellend‹ betraf. Er lernte auf die harte Tour, wie wichtig es war, selbst auf feinste Nuan-cen zu achten.
    Er hatte nicht vier Miniaturen gemalt, sondern fast zwanzig. Dabei verbrauchte er das gesamte Material, das er mitgebracht hatte, sodass er sich aus dem Institut neues bestellen musste. Denn für Miniaturen ließ sich nicht jedes beliebige Holz benutzen, es musste gut abgelagert sein, damit es sich nicht verzog, besonders in einer so feuchten Umgebung wie Bitra. Die ersten vier Konterfeis hatte er auf die Leinwand gepinselt, die er eigens für diese Arbeit mitgebracht hatte, um dann zu erfahren, dass Leinwand nicht ›zufrieden stellend‹ sei.
    Lord Chalkin und seine Frau, Lady Nadona, fanden an allem etwas auszusetzen.
    »Die Leinwand ist von schlechter Qualität«, nörgelte Lady Nadona. Mit einem ihrer krallenartigen Fingernägel fuhr sie über den Stoff und zerriss dabei das Gewebe, sodass es nicht mehr zu gebrauchen war.
    »Und sie hält nicht lange. Sie sollten Skybroom-Holz verwenden.«
    »Skybroom-Holz ist sehr teuer …«
    »Für diese Miniaturen werden Sie sehr gut bezahlt«, stichelte sie. »Das Mindeste, was wir verlangen können, ist wohl erstklassiges Arbeitsmaterial.«
    »Im Vertrag steht aber nichts von Skybroom-Holz …«
    »Das war doch wohl nicht nötig«, kanzelte sie ihn
    hochnäsig ab. »Ich hatte mich vergewissert, dass das Institut Domaize nur mit den erlesensten Werkstoffen arbeitet.«
    »Meister Domaize gab mir die beste Leinwand mit,
    die es überhaupt gibt«, wehrte er sich und schob die restlichen bereits bespannten Rahmen außerhalb ihrer Reichweite. »Er sagte mir, mit diesem Material würde er jeden ausstatten. Wenn Sie unbedingt Wert auf Sky-148
     
    broom-Holz legen, hätten Sie dies ausdrücklich im Vertrag erwähnen müssen.«
    »Ich hielt es für selbstverständlich, dass man Ihnen Skybroom für die Miniaturen mitgibt, junger Mann. Für meine Kinder ist das Beste gerade gut genug.«
    »Gibt es denn Skybroom-Holz in der Burg?«, erkundigte er sich. Auf Skybroom konnte man ›nicht zufrieden stellende‹ Malereien wenigstens entfernen, ohne die Oberfläche zu beschädigen.
    »Natürlich.«
    An diesem Punkt hatte er seinen ersten Fehler gemacht. Doch zu der Zeit kam es ihm noch darauf an,
    den Auftrag korrekt auszuführen und sein Bestes zu geben. Das vorhandene Skybroom-Holz entpuppte sich
    als grob zugehauene Balken, die zur Möbelherstellung gelagert wurden. Keinesfalls war es dünn genug für Miniaturen; ›Miniaturen‹, die nun doppelt so groß ausfallen würden wie üblich.
    Missfallen erregte die Pose, in der die Kinder gemalt werden sollten, obwohl Lady Nadona selbst die Positionen vorgeschlagen hatte.
    »Chaldon sieht so unnatürlich aus«, monierte die
    Burgherrin. »Mit dem krummen Buckel wirkt er irgendwie verkrampft, gar nicht locker und gelöst. Wieso haben Sie ihn nicht ermahnt, dass er den Rücken gerade halten soll?« Iantine verbiss sich die Bemerkung, dass er den Bengel ständig gemahnt hatte, und zwar im Beisein von Lady Nadona. »Und wie böse er guckt! Richtig widerwärtig!«
    Dabei handelte es sich lediglich um Chaldons ›natürliche‹ Miene.
    »Soll ich ihn lieber in stehender Haltung malen?«,
    schlug Iantine vor. Innerlich krümmte er sich bei der Vorstellung, die Kinder zum Stillstehen zu bewegen. Es war schon schlimm genug gewesen, sie zum Sitzen zu
    überreden. Wie Ussie ihm prophezeit hatte, waren die Gören unausstehlich, so hyperaktiv und zappelig, dass 149
     
    es ihm schier nicht gelingen wollte, sie in die richtige Positur zu bringen oder ihnen einen halbwegs freund-lichen Gesichtsausdruck abzuschmeicheln.
    »Und warum, um alles in der Welt, malen Sie auf
    einem so winzigen Stück Leinwand? Ich muss ja eine
    Lupe benutzen, wenn ich etwas erkennen will«, hatte Lady Nadona gestänkert, wobei sie Chaldons Bildnis
    auf Armeslänge von sich wegstreckte. Mittlerweile
    kannte Iantine seine Auftraggeberin gut genug, um sich einen Hinweis auf ihre extreme Weitsichtigkeit zu ver-kneifen.
    »Das ist das übliche Format für eine Miniatur …«
    »Behaupten Sie !«, ließ sie ihn abblitzen. »Aber ich will etwas, das ich noch sehen kann, wenn ich mich auf der anderen Seite des Zimmers befinde.«
    Da sie ständig ›auf der

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