Drachenauge
Berührung mit der Salbe löste wieder diesen fürch-terlichen Juckreiz aus. Doch das Taubkraut, das der Paste beigefügt war, dämpfte rasch diese unangenehmen Empfindungen.
Nachdem er die Blase entleert hatte, wusch er sich
vorsichtig das Gesicht und die Hände. Dann stiegen er 173
und Leopol in die untere Kaverne hinab, wo man zu
Abend aß.
Der Junge führte ihn an einen Seitentisch neben dem Kamin, wo für zwei Personen gedeckt war. Sofort brachte jemand gut gefüllte Teller, zudem Wein für Iantine und für den Burschen Klah.
»Lassen Sie es sich gut schmecken, Künstler Iantine«, forderte die Köchin ihn auf und sah wohlgefällig zu, wie ihr Gast über den Schmorbraten herfiel. »Nach dem Essen möchten die Weyrführer gern mit Ihnen sprechen, falls Sie nicht zu müde sind.«
Iantine brummte ein paar Worte des Dankes, dann
widmete er sich ausschließlich seiner Mahlzeit. Gern hätte er eine zweite Portion vom Hauptgericht gegessen, doch sein Magen streikte. Vermutlich hatte er ihn nach der langen Zeit des Darbens einfach überladen.
Leopol brachte ihm noch eine Süßspeise, doch die
konnte er nicht aufessen, da sein Hals sich wund an-fühlte und schmerzte.
Am liebsten hätte er sich gleich wieder in sein Bett verkrochen, doch dann traten die Weyrführer auch schon an seinen Tisch. Leopol verdrückte sich diskret, nachdem er Iantine ermutigend zugegrinst hatte. Aus Höflichkeit seinen Gastgebern gegenüber wollte der Künstler aufstehen, doch seine vom Taubkraut gefühllosen Füße versagten ihren Dienst, und er plumpste auf den Stuhl zurück.
»Auf Etikette legen wir hier nicht viel Wert«, beruhigte Zulaya ihn und bedeutete ihm, sitzen zu bleiben, derweil K'vin einen Stuhl für sie heranzog.
Als Nächstes schenkte er für alle drei Wein ein. Iantine trank einen Schluck. Der Wein war von guter Qualität, doch selbst die geringe Menge konnte sein Magen nicht mehr verkraften.
»Mittlerweile weiß jeder Bescheid, dass Sie gerettet wurden«, begann K'vin das Gespräch. »Meister Domaize war bereits in großer Sorge um Sie und hätte dem-174
nächst selbst einen Boten nach Bitra geschickt, um sich nach Ihnen zu erkundigen. Diesen Aufwand haben wir ihm erspart.«
»Das war sehr umsichtig von Ihnen, Zulaya, K'vin«,
bedankte sich Iantine. Im Institut Domaize hatte es zum Unterricht gehört, die Namen von wichtigen Persön-lichkeiten auf Pern auswendig zu lernen. »Ich bin ja so froh, dass P'tero mein Notsignal gesehen hat.«
Zulaya lächelte. »Diese Geschichte wird er noch lan-ge zum Besten geben. Aber es beweist wieder einmal, wie wichtig diese Patrouillenflüge selbst während einer Intervallphase sind.«
»Sie wissen wahrscheinlich«, platzte Iantine heraus,
»dass Lord Chalkin angeblich nicht an einen bevorstehenden Vorbeizug des Roten Sterns glaubt.«
»Das ist uns bereits bekannt«, erwiderte K'vin ruhig. »Trotzdem möchten Bridgely und M'shall gern von Ihnen erfahren, was Sie alles auf Burg Bitra erlebt haben.«
»Meinen Sie, man könnte etwas gegen Chalkin unternehmen?« fragte Iantine verblüfft. Burgherren waren innerhalb ihrer Gebietsgrenzen autonom. Dass man dies nicht als unabänderlich hinnehmen musste, ver—wunderte ihn über alle Maßen.
»Er ist emsig dabei, sich seine eigene Grube zu schau-feln«, versetzte Zulaya mit schmalen Lippen.
»Es wäre wirklich ein Segen, wenn man diesem Betrüger endlich einmal die Flügel stutzte«, entgegnete Iantine ernst. »Allerdings dürften ihm seine Vergehen schwer nachzuweisen sein. Wenn ich an meine persönliche Situation denke …«
»Unser eigener Künstler im Weyr mag vielleicht nicht Ihre Ausbildung haben«, fiel K'vin ihm ins Wort, »aber Waine versicherte mir, dass es keine sieben Wochen dauert, um vier Miniaturen zu malen.«
»Insgesamt malte ich zweiundzwanzig, um vier Bilder herzustellen, die den Burgherren gefielen«, erklärte 175
Iantine und räusperte sich erbittert. »Der Haken im Vertrag war das Wort ›zufrieden stellend‹.«
»Aha!«, erwiderten Zulaya und K'vin im Chor.
»Mir gingen Farbe und Leinwand aus, weil ich nur
mitgebracht hatte, was ich in meiner Ahnungslosigkeit für erforderlich hielt.« Er hob die Hände und rieb sie dann, weil sie wieder zu prickeln anfingen. »Zu guter Letzt erkrankten die Kinder an Masern, und ehe ich mir die Kosten für den Aufenthalt vom Honorar abziehen ließ, willigte ich lieber ein, die Wandgemälde zu restau-rieren. Natürlich hatte ich diese speziellen Farben
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