Drachenblut
und nach Beendigung der Quarantäne würde Windblüte sie noch einmal desinfizieren.
»Leg dich wieder hin und versuche noch ein wenig zu schlafen, Mutter«, riet Emorra und schloss selbst wieder die Augen. »Es ist noch nicht einmal hell, und das Wetter scheint sich auch nicht zu bessern.«
Windblüte hatte sich mit Janir, Emorra und Mendin beraten und daraufhin beschlossen, die Quarantäne erst aufzuheben, wenn die Feuerechse über eine Woche lang keine Krankheitssymptome mehr aufwies; obendrein durfte es an dem Tag nicht regnen, weil das provisorische Camp verbrannt werden musste. Sie hoffte auf warmes Wetter, denn die endgültige Dekontamination würde eine sehr kalte Angelegenheit werden.
Windblüte hatte die anderen rechtzeitig über das Verfahren aufgeklärt, damit sie sich innerlich für die Prozedur wappnen konnten. Mit Janir war sie übereingekommen, eine verdünnte Säure zu verwenden. Die abschlieÃende Desinfizierung sah vor, dass sie sich nackt auszogen, sämtliche Körperhaare entfernten und dann das Zelt verlieÃen. DrauÃen würden sie sich gegenseitig mit der Säure abschrubben.
Die Säure würde die Fette auf ihrer Haut sofort in Seife verwandeln und
sämtliche Krankheitserreger abtöten. Diese Behandlung erzeugte eine eisige Kälte, und Emorra wollte, dass Windblüte sich dieser Tortur nicht aussetzte. Doch die alte Wissenschaftlerin hatte sich durchgesetzt und lieà keine Ausnahme gelten.
»Wir sollen alle nackt dastehen, wie an dem Tag, als wir geboren wurden?«, hatte Kassa gequiekt.
Niemand hatte sich zu einer Antwort bemüÃigt gefühlt.
»Und was geschieht mit der Feuerechse?«, erkundigte sich Tieran, dem die Gesundheit des Tieres mehr am Herzen lag als ein falsches Schamgefühl.
»Du musst ihr erklären, dass sie die gleiche Behandlung bekommt wie wir«, erwiderte Windblüte.
»Wenn du ihr sagst, dass sie hinterher eine Belohnung erhält und mit Ãl massiert wird, ist sie vielleicht ganz zahm und lässt alles mit sich machen«, schlug Emorra vor.
Tieran schaute zweifelnd drein. Zu oft hatte er befürchtet, die Echse könnte ins Dazwischen gehen und nie wieder auftauchen. Die Sorge hatte ihm schlaflose Nächte bereitet, und er fand erst wieder Ruhe, nachdem das Fieber etwas gesunken war.
An diesem denkwürdigen Morgen war Tieran davon wach geworden, dass die Feuerechse sanft ihr Köpfchen an seiner Wange rieb und klagend zirpte. Die kleinen grünen Augen kreisten. Als Tieran staunend das Tier ansah, fing sein Herz wie wild an zu pochen, und er wünschte sich nichts sehnlicher, als dass diese Feuerechse bei ihm bliebe. Und bis jetzt hatte der kleine Braune ihm die Treue gehalten.
Windblüte schaute ihre Tochter nachdenklich an und überlegte, ob sie den Rat annehmen und sich wieder auf ihr Feldbett legen sollte. Gerade als sie beschloss, noch ein paar Stunden zu schlafen, schlug Emorra die Augen auf und fragte unvermittelt: »Was würde passieren, wenn die Drachen sich tatsächlich mit diesem Krankheitserreger ansteckten?«
Windblüte hob lediglich die Augenbrauen und ermunterte ihre Tochter, sie möge fortfahren. Sie bemerkte, dass Tieran wach geworden war und aufmerksam lauschte; desgleichen Kassa.
»Der Fädenfall ist vorbei; die Drachen brauchen nicht mehr zu kämpfen«, dachte Emorra laut nach. »Wenn die Infektion lediglich die Lungen befällt â¦Â«
»Worauf willst du hinaus?«, fiel Windblüte ihr ins Wort. »Glaubst du,
dass die Reise durch das Dazwischen bei der Feuerechsen-Königin einen Schock ausgelöst hat, der letzten Endes ihren Tod verursachte?«
Emorra zog die Stirn kraus. »Wenn das der Fall wäre, könnte ein Sprung durch das Dazwischen vermutlich auch einen infizierten Drachen töten.«
»Stimmt deine Theorie, dann wären die Drachen sicher, solange man sie daran hindern kann, ins Dazwischen zu gehen«, folgerte Windblüte.
»Ja, wenn die Infektion selbst nicht zum Tod führt«, erwiderte Emorra. »Man kann nur hoffen, dass das Immunsystem der Drachen mit dem Erreger fertig wird.«
»Natürlich. Aber diese Immunität würde vermutlich durch eine Antigen-Antikörper-Reaktion erreicht, die nicht vererbbar ist.«
»Was heiÃt das?«, fragte Kassa und runzelte ärgerlich die Stirn. Während der letzten Siebenspanne hatte sie angestrengt versucht,
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