Drachenblut
»Das Breitbandantibiotikum hat es abgetötet.«
»Hast du mir nicht beigebracht, dass man keine voreiligen Schlüsse
ziehen darf?«, fragte Janir. »Genauso gut hätte der ursprüngliche Krankheitserreger ein Virus sein können, und nachdem das Immunsystem geschwächt war, verursachte ein zusätzliches Bakterium eine Sekundärinfektion. Tieran teilt meine Meinung.«
»Glaubst du, indem wir den Erreger der Sekundärinfektion ausschalteten, gaben wir dem Immunsystem so viel Kraft zurück, dass es mit dem Virus fertig werden konnte?«, fiel Emorra ein. Auf Windblütes Einladung hin hatten sie sich in einem der Klassenzimmer versammelt.
»Ganz genau!«, bestätigte Janir.
»Windblüte und ich stimmen darin überein, dass wir für beide Theorien keine eindeutigen Beweise finden werden«, erklärte Tieran. »Mit Sicherheit wissen wir nur, dass das Antibiotikum Grenns Leben rettete.« Die kleine braune Feuerechse schilpte zufrieden.
»Grenn?« Janir hob die Brauen.
»So hat er die Feuerechse genannt«, erwiderte Windblüte und zeigte auf Tieran.
»Nein, das stimmt nicht«, widersprach der junge Mann. »Der Name stand auf dem Perlenhalsband. Der ursprüngliche Besitzer hatte diesen Namen ausgesucht.«
Emorra kniff die Augen zusammen. »Hast du das Halsband behalten?«
Tieran nickte. Er zog es aus dem Beutel, der über seiner Schulter hing. »Hier ist es.«
»Darf ich es mir mal ansehen?« Emorra streckte die Hand nach dem Halsband aus. Tieran gab es ihr, wenn auch widerstrebend. Er wusste nicht, wovor er sich mehr fürchtete â dass Emorra anhand des Perlenbandes Grenns Besitzer auf Anhieb identifizieren könnte, oder dass man weiterhin über den Herkunftsort des Tieres im Unklaren blieb. Gewissenhaft prüfte Emorra das Halsband.
»Dieses Symbol hier â seht ihr das?«, fragte sie und hielt das Band für die anderen hoch. »Sagt euch das etwas?«
»Das ist der Ãskulapstab«, antwortete Janir prompt. »Ein Stab mit einer Schlange als Symbol für Medizin â¦Â«
»Oder als Symbol für einen Arzt«, fiel Emorra ihm ins Wort. Sie musterte das Band eingehend. »Darunter ist noch etwas eingeritzt.«
»Es sieht aus wie ein Tier«, mutmaÃte Tieran zaghaft.
»Schwer zu sagen«, murmelte Janir.
Emorra blickte von einem zum anderen. »Ich erhielt eine Nachricht
von Igen, und darin geht es um Perlenarbeiten. Soweit ich weiÃ, wurden von Landing keine Perlen mitgebracht. Und das ist noch nicht alles â die ersten Siedler führten auf ihren Schiffen keine Perlen bei sich.« Beinahe ehrfürchtig betastete sie die zierlichen Perlen, aus denen das Halsband der Feuerechse geknüpft war. »Diese Perlen dürften gar nicht existieren.«
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»Also wirklich, Mutter«, schimpfte Emorra. »Du und dieser Junge!«
»Er ist kein Junge!«, konterte Windblüte. »Er ist neunzehn!«
Emorra tat diesen Einwand mit einem verächtlichen Wedeln der Hand ab. »Bist du so erpicht darauf, bei dem Jungen etwas gutzumachen, dass du jemand anderem dessen Feuerechse vorenthältst?«, empörte sie sich. »Das ist unter deinem Niveau.«
»Emorra, diese Feuerechse tauchte vor zwei Monaten hier auf«, erwiderte Windblüte. »Ich denke, in dieser Zeit hätten wir etwas von dem Besitzer gehört, wenn das Tier vermisst würde. Und diese Echse hatte eine Krankheit, die uns bis dahin völlig unbekannt war.«
Emorra verzog missmutig das Gesicht. Diese Feuerechse war tatsächlich von einer fremdartigen Krankheit befallen. Und die andere Echse, die buchstäblich vom Himmel geregnet war, hatte dieselbe Krankheit in sich getragen. Irgendwo mussten sich die beiden Tiere angesteckt haben. Und wenn die Feuerechsen empfindlich auf einen Erreger reagierten, konnte man nicht ausschlieÃen, dass auch das Immunsystem der Drachen nicht perfekt war. Vielleicht stand die planetenweite Katastrophe, die sie befürchtete, kurz bevor. Es sei denn, es handelte sich um eine äuÃerst seltene Krankheit, oder sie verbreitetete sich nur sehr langsam, oder der Ãbertragungsweg war â¦
»Hast du herumgefragt, ob jemand zwei Feuerechsen vermisst?«, fragte sie.
»Tieran hat Botschaften hinausgeschickt mit der Anfrage, ob irgendwo eine goldene und eine braune Feuerechse abhanden gekommen sind«, antwortete
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