Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Drachenblut

Drachenblut

Titel: Drachenblut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Todd McCaffrey
Vom Netzwerk:
betrat.
    Â»Ich räume auf«, erwiderte Windblüte. Sie hockte auf dem Boden und warf Glassplitter in einen Recycling-Container.
    Â»Was ist passiert? Wo steckt Tieran?«, wollte Emorra wissen.
    Â»Tieran hat das Glas zerschlagen, und wo der Junge sich im Augenblick aufhält, entzieht sich meiner Kenntnis«, gab Windblüte zurück. Sie blickte zu ihrer groß gewachsenen Tochter hinauf, bemüht, sich nicht anmerken zu lassen, wie stolz sie auf Emorra war. »Als er an der Unglücksstelle eintraf, war sein Vater schon tot. Dann fasste er den Entschluss, sich Antibiotika zu besorgen und einen Zeitsprung in die Vergangenheit zu unternehmen, um den Vater zu retten.«
    Emorra schnappte nach Luft. »Aber das geht doch gar nicht – oder?«
    Windblüte seufzte, wobei sie sich bewusst theatralisch gab. »Natürlich geht das nicht – wie du sehr wohl weißt.«
    Â»In der Literatur heißt es, dass es unmöglich ist«, versetzte Emorra
lakonisch und fing einen strafenden Blick ihrer Mutter ein. »Mutter, wieso lernt man überhaupt etwas über temporale Paradoxa, wenn sie angeblich gar nicht eintreten können? Ich halte es für wichtiger, Grundlagenwissen zu lehren als sich mit solchen esoterischen Fragen zu befassen.« Emorra hatte sich in ihr Lieblingsthema verbissen, und wie immer, ärgerte sie sich über die Einstellung ihrer Mutter, die der ihrigen nicht entsprach. »Wir müssen uns den veränderten Gegebenheiten anpassen, seit wir von einer High-Tech-Gesellschaft in eine Low-Tech-Kommune zurückgefallen sind. Was wir brauchen, sind althergebrachte Techniken und Medien, um das Erlernte zu bewahren und an künftige Generationen weiterzugeben. Weisheiten müssen in Liedern festgehalten werden, die jeder auswendig lernen und singen kann. Wir werden auf mündliche Überlieferung zurückgreifen müssen.«
    Â»Was hast du an Büchern auszusetzen?«, fragte Windblüte provokant.
    Emorra zog die Stirn kraus. »Mutter, du weißt doch, dass ich Bücher liebe«, entgegnete sie und seufzte tief. »Aber wer hätte schon die Zeit, ein Buch anzufertigen. Die Buchherstellung ist ein arbeitsintensives Geschäft, angefangen vom Fällen der Bäume für die Papierproduktion bis hin zum Mixen von Tinte und dem Binden der Bögen. All das fällt ohnehin flach, sowie es wieder Fäden regnet.«
    Â»Man macht es sich zu einfach, wenn man immer alles auf die Fäden schiebt«, widersprach Windblüte. »Man kann ohnehin nichts unternehmen, also setzt man sich hin und singt Lieder«, spottete die alte Wissenschaftlerin.
    Emorra unterdrückte eine bissige Replik und wedelte stattdessen einlenkend mit der Hand. »Lass uns nicht schon wieder damit anfangen, ich bitte dich, Mutter!«
    Windblüte nickte. Sie deutete auf den Recycling-Container. »Dieser Behälter ist voll. Lauf und hol mir einen neuen.«
    Emorra runzelte die Stirn und bückte sich nach dem Behälter. Nachdem sie das Zimmer verlassen hatte, kniff Windblüte fest die Lippen zusammen und holte tief Luft. Es ist nicht einfach, ein Kind zur Selbstständigkeit zu erziehen, dachte sie. Es tut weh, wenn sie sich von einem entfernen. Hast du das genauso empfunden, Mutter?
    Â 
    Â»Kann ich sonst noch etwas für dich tun, Mutter?«, fragte Emorra, als sie sich vom Fußboden hochstemmte und nach dem letzten Container mit
Glasscherben griff. Aufmerksam suchte sie den Boden nach eventuell übersehenen Splittern ab.
    Â»Nein, Danke«, entgegnete Windblüte. Bei dem ablehnenden Tonfall ihrer Mutter blähte Emorra wütend die Nasenflügel, doch sie sagte nichts. Sie nickt nur kurz und entfernte sich, die Tür leise hinter sich schließend.
    Â»Gute Manieren«, murmelte Windblüte vor sich hin. Eine Weile behielt sie die Tür im Blick, bis sie davon überzeugt war, dass Emorra nicht noch einmal zurückkommen würde.
    Dann ging eine Veränderung in Windblüte vor. Sie entspannte sich merklich, und der Anflug eines Lächelns huschte um ihre Lippen; doch diese sanften Emotionen wurden beinahe sofort von einem ernsthaften Stirnrunzeln ersetzt.
    Â»In deinem Gesicht kann man lesen wie in einem offenen Buch«, hörte sie in Gedanken die Stimme ihrer eigenen Mutter, Kitti Ping. »Ich sehe dir jede Gemütsregung an und weiß immer, was du denkst.«
    Du hast nur das gesehen, was du sehen durftest,

Weitere Kostenlose Bücher