Drachenblut
was ich dich sehen lassen wollte , stellte Windblüte richtig, die in ihrer Erinnerung den Dialog mit ihrer Mutter noch einmal durchlebte.
Sie begab sich an ihre Kommode und öffnete die Schublade mit ihren Tuniken. Vorsichtig hob sie die Kleidungsstücke an und fand die gelbe Tunika. Jawohl, dachte sie bei sich, das würde Purman gefallen.
Sie zog die Tunika aus der Schublade und kramte dann den kleinen Beutel hervor, den sie sorgfältig unter ihren Sachen versteckt hatte. Rasch entledigte sie sich ihrer üblichen Tunika und streifte die gelbe über. Den kleinen Beutel in der Hand, begab sie sich in das Labor, das sie sich im hinteren Teil ihres Zimmers eingerichtet hatte.
Ihr Quartier war sehr groà und hatte ursprünglich als Vorratslager gedient, bis zu dem Jahr, als das Fieber ausbrach. In dem allgemeinen Trubel, der herrschte, hatte Windblüte sich in diesen Räumlichkeiten eingenistet, und bis zum jetzigen Tag hatte niemand sie daraus vertrieben. Sie wohnte in diesem weitläufigen Zimmer, und ihre private Einrichtung bestand lediglich aus einem Bett, einer Kommode und einem Nachttisch. Der Rest des Quartiers diente als Labor und Arbeitszimmer. Sie mochte diese Unterkunft wegen der vom Boden bis zur Decke reichenden Fenster, die in die AuÃenwand eingelassen waren.
Sie entriegelte eine verschlossene Tür in dem groÃen Laborschrank und nahm einen Mörser, einen uralten Dreifuà aus Keramik und ein Stövchen
heraus. Zusammen mit dem kleinen Beutel aus der Schublade und einem anderen Säckchen, das sie aus dem Schrank holte, platzierte sie die Sachen auf ihren Arbeitstisch.
Einen Moment lang liebäugelte sie mit dem Gedanken, sich auf den Schemel zu setzen, dann schüttelte sie andeutungsweise den Kopf und änderte ihren Plan. Kurzerhand schnappte sie sich die Utensilien von der Arbeitsplatte und deponierte sie auf dem FuÃboden. Hier konnte niemand sie beobachten, denn der Blick durch das Fenster in ihr Quartier wurde durch den langen Arbeitstisch versperrt.
Aus dem Säckchen fischte sie einen kleinen Klumpen Holzkohle, den sie auf das Stövchen legte. Mit geübten Handbewegungen zündete sie den Kohlebrocken an, danach stellte sie den Dreifuà darüber. In den Mörser gab sie eine Auswahl von Kräutern, die sich in dem Beutel befanden, den sie in der Kommode aufbewahrte. Danach rupfte sie sich ein paar Haare aus, rollte sie auf und fügte sie zu den Kräutern hinzu.
Zufrieden mit ihrem Werk, stellte sie den Mörser auf den Dreifuà und lieà ihn von den züngelnden Flammen erhitzen.
Ich bin froh, dass du dich nicht dazu entschlossen hast, unserem College beizutreten, dankte Windblüte im Stillen Purman. Natürlich wärst du willkommen gewesen, aber ich bin mir nicht sicher, ob du den Weg gebilligt hättest, den ich eigenmächtig eingeschlagen habe, und der uns alle betrifft.
Tausende von Jahren werden vergehen, ehe unsere Nachfahren wieder imstande sein werden, Gene zu manipulieren, Schöpfung zu spielen, sinnierte sie. Es wäre ein groÃer Fehler, unsere Kinder auf die alten, nicht mehr gültigen Methoden einzuschwören. Die jungen Leute müssen sich weiterentwickeln und ihre eigenen Erfahrungen sammeln.
»Triff deine eigenen Fehlentscheidungen, aus Fehlern â sofern man sie selbst begangen hat â kann man viel lernen«, klang das Echo von Kitti Pings Stimme in Windblütes Erinnerungen nach.
Der Weg, den die Eridani beschreiten, ist nicht sakrosankt, sagte sie sich, teils, um auf die Bemerkung ihrer Mutter zu antworten. Es gibt mehr als eine Möglichkeit, zu einem angestrebten Ziel zu gelangen. Und die Prämissen sind in jeder Situation anders. Die Eridani sind Philosophen und tiefschürfende Denker, aber an einen Krieg haben sie nie gedacht. In ihre Kalkulationen hatten sie die Nathi nicht einbezogen. Sie konnten sich keine Zeit vorstellen, in der Gentechnologie unbekannt war.
Windblüte beobachtete den Mörser, und dabei kehrten ihre Ãberlegungen zu Purman zurück. Von nun an wird man hier auf deine Praxis zurückgreifen müssen â Veränderung des Erbgutes durch Selektion, durch strenge Zuchtauswahl.
Sie seufzte. Es war nicht einfach gewesen, Emorra gegen die eigene Mutter aufzubringen. Trotz aller Anstrengungen war es ihr nur halb geglückt. Ihre Tochter war am College geblieben und hatte es bis zur Dekanin gebracht. Tieran zu verprellen war dagegen
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