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Drachenblut

Drachenblut

Titel: Drachenblut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Lee Parks
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schon passieren, wenn er sich dem Ablauf der Ereignisse widersetzte?
        Als Virgil beim nächsten Mal die Autobahn erreichte, blieb er einfach stehen. Während die anderen Soldaten über die Straße hetzten, sah er sich in aller Ruhe nach einer anderen Fluchtmöglichkeit um. Das machte ihn zum leichten Ziel. Das Projektil einer großkalibrigen Waffe traf ihn genau zwischen den Schulterblättern in den Rücken und riss beim Austritt aus seinem Körper ein hässliches Loch in seine Brust. Das Grölen einer Schulklasse war zu hören, und Virgil sank tödlich getroffen zu Boden.
        PLAYER: 1 SCORE: 400 pts. LIVES LEFT: 6
        Als Virgil einmal mehr durch den Dschungel stolperte, wurde er sich der Gefährlichkeit seiner Lage richtig bewusst. Natürlich war ihm aufgefallen, dass sich auf der Anzeigetafel die Anzahl der übrig gebliebenen Leben in dem Maße reduzierte, in dem seine Versuche scheiterten, die Autobahn zu überqueren. Er war hier sehr offensichtlich in einer Routine gefangen, die er nicht so leicht überwinden konnte.
        Die Szene glich inzwischen einem Tollhaus. Virgil erlebte das Chaos als Ansammlung verschiedener audiovisueller Versatzstücke, die ebenso wenig originell wie unterhaltsam waren. Soldaten und Rebellen jagten sich kreuz und quer durch den Dschungel, und der schwarze Lastwagen fuhr alles platt, was ihm unter die Räder kam. Dazwischen berichtete ein Reporter live vom Ort des Geschehens, und das Publikum spendete begeistert Beifall, wenn die Kandidaten eine Quizfrage zur Anzahl der Toten und Verletzten richtig beantwortet hatten. Die Ereignisse waren kaum mehr als eine wahllose Collage verschiedener Fernsehprogramme. Nichts passte zusammen, alles war nur angedeutet, hatte keinen Anfang und kein Ende. Es waren Fragmente einer Wirklichkeit, die sich in dieser Zusammenstellung als kitschige Seifenoper erwies.
        Dem Reporter war es gelungen, einen pensionierten General an das Mikrofon zu locken, der den Fortgang der Revolution kommentierte, während er mit seinem linken Auge nervös in die Kamera zwinkerte. »… ich sage Ihnen, wir werden diese gelben Hunde aus dem Busch jagen und mit Stumpf und Stiel ausrotten! Glauben Sie mir …«
        Ein Hund rannte mit angelegten Ohren zwischen den Beinen des Generals hindurch und unterbrach ihn in seinen Ausführungen. Kein Wunder, dass es das struppige Tier zur Eile trieb, ihm war eine Meute Katzen auf den Fersen, die furchtbar kreischten und fauchten.
        »Du kleiner gelber Teufel!« Der General schlug mit seiner Lederrute nach dem Hund, der aber schon längst wieder auf und davon war, bevor ihn die Katzen in die Fänge bekommen und ihm die Augen auskratzen konnten.
        Wie Virgil am eigenen Leib erfahren hatte, war es zwecklos, einfach stehen zu bleiben. Wenn es nicht der Lastwagen war, der ihn unter seinen Rädern zerquetschte, dann streckte ihn eine Kugel der Rebellen nieder. Man konnte es drehen und wenden wie man wollte, es schien keinen Ausweg zu geben. Wenig Trost boten auch die Gerüchte, die im Urwald die Runde machten. Ein unbezwingbarer Kampfroboter hätte sich auf die Seite des Präsidenten geschlagen und zermalme nun alles, das sich nicht rechtzeitig in Sicherheit brächte. Virgil hatte wenig Verlangen, sich auch noch auf eine Auseinandersetzung mit einer Maschine einzulassen, also hüpfte er wieder über die Leitplanke. Den Lastwagen würde er diesmal einfach austricksen. Dazu musste er nur nach links antäuschen und dann ganz schnell nach rechts ausweichen. Das konnte so schwer nicht sein.
        PLAYER: 1 SCORE: 500 pts. LIVES LEFT: 5
        Alle Achtung, der Knirps am Steuer des Lastwagens war ganz schön auf Zack! Aber Virgil hatte jetzt den Bogen heraus, und mit dem nächsten Versuch sollte sich zeigen, wer hier der Klügere war.
        PLAYER: 1 SCORE: 600 pts. LIVES LEFT: 4
        Virgil wischte sich den Schweiß aus dem Gesicht und rannte auf die Autobahn zu. Es war an der Zeit, dass er seine Taktik änderte. Bestimmt war es nur eine Verwechslung, ein einfaches Missverständnis, das ihn in den Wirren der Revolution zur Zielscheibe machte. Eigentlich gehörte er ja gar nicht dazu. Er kämpfte weder auf der Seite der Rebellen, noch fraternisierte er mit den Schergen des Diktators. Ein vernünftiges Gespräch mit den Kriegsparteien würde die Situation sicherlich klären.
        »Halt, nicht schießen«, rief Virgil in den Dschungel und erhob seine Hände über den Kopf. »Ich bin unbewaffnet!

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