Drachenblut

brachte genau das zum Ausdruck, was die anderen dachten.
        »Helau!« Stanley verwechselte Sylvester mit Fasching, nahm ein Weinglas und stülpte es aus unerfindlichen Gründen über den bunten Zylinder.
        »Wartet’s nur ab! Ihr werdet schon sehen.« Haddock hatte das Feuerwerk während der Theateraufführung vorsichtig geöffnet und den Inhalt, allerlei unnützen Krimskrams, der eigentlich hätte herausgeschleudert werden sollen, entfernt und den freigewordenen Platz mit den Zündköpfen dutzender Streichhölzer aufgefüllt. Tuning nannte er diese Manipulation, mit der er der Sache mehr Schwung geben wollte. »Jetzt geht die Post ab!« Damit hielt Haddock sein Feuerzeug an die Lunte.
        Zuerst geschah nichts. Fred verzog seinen Mund schon zu einem Grinsen. Doch dann gab es einen Knall, und das Tischfeuerwerk wurde mitsamt dem Glas auf der Stelle in Stücke gerissen.
        Rex, der bis jetzt vom Rummel des Presseballes unbeeindruckt unter dem Tisch geschlummert hatte, war von einer Sekunde zur anderen auf den Beinen und suchte sein Heil in der Flucht. Hank verspürte einen Ruck am Stuhl, und schon wurde er vom Tisch weggezogen. Rückwärts sauste er hinter Rex durch den Saal, dessen glatter Parkettboden die Reise nur begünstigen konnte. Im gestreckten Galopp ging es über die Tanzfläche, wo das merkwürdige Gespann die Paare auseinandersprengte und so schnell wieder verschwunden war, dass sich nicht wenige fragten, ob sie nicht einer Sinnestäuschung erlegen waren.
        Durch das Gejohle der Gäste fühlte sich Rex mächtig angespornt. Er beschleunigte nochmals und sauste in Richtung der Bar, wo er einige unbesetzte Barhocker umriss, eine kleine Ehrenrunde drehte und anschließend die gegenüberliegende Seite der Stadthalle ansteuerte. Hier schlitterte gerade ein junger Mann mit seinen Fußballschuhen über das Parkett. Dabei war er bemüht, die zahlreichen Getränke, die er auf einem Tablett balancierte, nicht fallen zu lassen. Es kam, wie es kommen musste. Der Sportler stand mit weit aufgerissenen Augen da, gleich einem Torwart, der nicht wusste, ob er jetzt nach links oder nach rechts hechten sollte. Als er sich endlich zu einer Reaktion entschließen konnte, war es bereits zu spät. Der folgende Unfall sollte unter den Gästen noch lange für Gesprächsstoff sorgen, dergleichen sah man schließlich nicht alle Tage.
        Und wieder einmal war Fink zur rechten Zeit an der rechten Stelle. Geistesgegenwärtig riss er eine seiner Kameras vor seine Augen, schoss blitzschnell ein paar Fotos und nahm dann, als er sich unbeobachtet fühlte, den Deckel vom Objektiv.
        Der Zusammenprall hatte unterdessen Rex im Gegensatz zum Torwart nicht aus der Bahn werfen können. Sein Fluchtinstinkt erhielt durch das Klirren der Gläser und die allgemeine Aufregung einen erneuten Impuls. So blieb Hank nichts anderes übrig, als sich weiterhin auf seinem Stuhl festzuhalten und auf ein baldiges und vor allem gnädiges Ende der Odyssee zu hoffen. Er fühlte sich wie der hilflose Passagier eines Schiffes, das von der stürmischen See auf eine Klippe zu getrieben wurde, ohne dass der Kapitän das Ruder noch hätte herumreißen können.
        Die Stufe zum hinteren Teil der Stadthalle wurde schließlich Hanks Verhängnis. Während Rex das nur wenige Zentimeter hohe Hindernis mit Bravour meisterte, hatten die Stuhlbeine doch erhebliche Schwierigkeiten, die Schwelle zu überwinden. In seiner rasanten Vorwärtsbewegung gehemmt, kippte der Stuhl sogleich um und warf Hank in hohem Bogen ab. Von den Gästen gab es begeisterten Beifall für den wilden Kürassier, der einige Zeit brauchte, bis er sich wieder aufgerappelt und gesammelt hatte.
        Dort, wo Hanks Reise ihren Ausgang genommen hatte, saß die Bürgerwehr um den Tisch herum und bestaunte die Stelle, an der eben noch das Tischfeuerwerk gestanden hatte und wo jetzt ein großes Loch in die Tischdecke gebrannt war.
        Haddock war von den Ereignissen beeindruckt. »Hui, das war aber ein Schreck!«
        Auch Elvis war von der Heftigkeit der Explosion überwältigt. Vorwurfsvoll schaute er Stanley an. »Ein Glück, dass das Weinglas niemand getroffen hat. Das hätte ein schlimmes Unglück geben können.«
        »Wieso? Ist doch nichts passiert.« Stanley spielte die Sache herab und gab sich gelassen. »War doch nur ein harmloser Scherz.«
        In der Mitte des Tisches züngelten noch einige kleine Flammen und zerfraßen die wenigen