Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Drachenboot

Drachenboot

Titel: Drachenboot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Low
Vom Netzwerk:
allen, die nicht das Glück hatten, in Skani geboren zu sein«, sagte er spöttisch. »Ihr habt Angst. Aber wir aus Skani fürchten keine offene Weite, für uns stellt der Horizont keine Grenze, sondern eine Herausforderung dar. Odin und Wili und We haben uns die Sterne geschenkt, damit wir unseren Weg finden, und mit ihrer Hilfe weiß ich überall in der Welt, wo ich bin, und zwar bis auf einen Spatzenfurz genau.«
    Er legte den Kopf auf die Seite, kniff nachdenklich ein Auge zu und blies in seinen vereisten Schnauzbart.
    »Und im Übrigen«, fügte er hinzu, »hast du noch nie einen Wal blasen sehen, du dämliche Landratte.«
    Das wurde abermals mit Kopfnicken und beifälligem Gebrüll quittiert, obwohl alle wussten, dass Finn, wenn er ein Schiff navigieren müsste, selbst mit beiden Händen seinen Arsch nicht finden würde und dass er ebenfalls noch nie einen lebenden Wal gesehen hatte.
    »Die Steppe hat mit niemandem Mitleid«, sagte Avraham überheblich, und ich fand, dass die beiden jetzt lange genug gestritten hatten, und machte der Sache ein Ende.
    »Wenn die Steppe mit niemandem Mitleid hat, dann können wir auf dich als Führer auch verzichten«, sagte ich, und alle lachten, sogar Finn. Avraham gab sich mit kleinlautem Grinsen geschlagen, wurde aber sofort wieder ernst, als ich ihn fragte, ob er uns nun führen könne oder nicht.
    Er sah erst mich an, dann wanderte sein Blick zu dem noch immer grinsenden Finn, dann zu Gyrth, zu Jon Asanes und wieder zurück zu mir. Er senkte die Augen und schüttelte den Kopf.
    Gisur trat von einem Bein aufs andere und blies Rotz aus seiner Nase.
    »Na ja«, sagte er entschieden. »Ich muss zu meiner Schande gestehen, dass ich die große Schneewüste nicht kenne und dass ich nicht versprechen könnte, euch sicher durch sie hindurchzuführen. Es wäre am besten, dem Fluss zu folgen.«
    »Ach, wozu brauchen wir diesen Chasaren!«, rief Kvasir ungeduldig. »Gehen wir mitten hindurch. So schwer kann der Weg doch nicht zu finden sein – wir brauchen doch nur der Spur von Lambisson zu folgen.«
    Dieser Gedanke ernüchterte uns alle, aber niemand gab
es zu, als wir schließlich aufbrachen. Am Ende kam Avraham doch mit, denn die Alternative wäre gewesen, am Fluss zu bleiben, wo er, allein auf sich gestellt, umgekommen wäre. Doch man kann nicht behaupten, dass er uns führte.
    Das Weiße Nichts verschluckte uns. Die Flocken waren winzig und trocken und drangen überall ein, penetrant wie Mücken. Der Schnee türmte sich zu hohen Wällen rund um unsere Lagerplätze und konnte nur durch das Feuer und unsere Körperwärme in Schach gehalten werden. Wenn wir morgens aufwachten, mussten wir uns unter den Zelten und den sonstigen Schutzdächern vorsichtig bewegen, um den Reif nicht herunterzuschütteln, der sich über Nacht gebildet hatte. Wir befreiten die Pfähle zum Anbinden der Pferde aus der gefrorenen Erde, zündeten Feuer an, kochten Haferbrei und waren gewöhnlich drei Stunden später bereit zum Weiterziehen.
    Die Kältefäule sorgte für weitere schwarze Nasen und Zehen; Bjaelfi und Thorgunna hatten stets ihre scharfen Messer bereit, um die erfrorenen Stellen abzuschneiden. Anfangs irrten wir so ziellos umher wie Ameisen auf einem Schaffell. Doch dann, wie von Kvasir vorausgesehen, wurde es einfacher – wir orientierten uns an den Spuren, die Lambisson hinterlassen hatte. Der Schnee fiel pausenlos von einem bleiernen Himmel, er trieb wie Rauchwolken über die Ebene und stach unsere Gesichter wie Sand.
    Wir folgten einer Spur des Elends, die selbst ein Blinder nicht hätte verfehlen können. Zertrümmerte Wagen, tote Pferde, blauweiße Leichen. Und bei jedem neuen Fund erwartete ich mit banger Sorge auch die Leiche des kleinen Eldgrim.
    Eines Tages, als der Himmel so klar war wie das Auge
Odins, hatte ich mir gerade ein verschwiegenes Plätzchen gesucht, um mich zu erleichtern, als ich Olaf sah, der, in seinen einstmals weißen Mantel gehüllt, dastand und die schwarzen Vögel am Himmel beobachtete.
    Sie warteten darauf, dass wir weiterzogen und ein paar Kadaver, die die Wölfe schon abgenagt hatten, freigeben würden. Sie folgten uns, hungrig und hoffnungsvoll wie Möwen dem Fischerboot – und genauso hoffnungsvoll folgten ein paar erschöpfte Männer dem kleinen Krähenbein und warteten auf seine Weisheiten.
    »Du sagst also, wenn ein weiterer Vogel aus dem Westen zu ihnen stößt, passiert etwas Schlimmes?«
    Die Stimme des roten Njal klang ungläubig, war aber

Weitere Kostenlose Bücher