Drachenboot
gleichzeitig so unsicher und brüchig wie das Eis auf dem Don.
»Und überleg dir gut, was du sagst, mein Junge«, fügte er hinzu, »denn es gibt nichts Schlimmeres als eine unzuverlässige Zunge, wie meine Großmutter immer zu sagen pflegte.«
Olaf schwieg und nickte nur, wobei er fortfuhr, die Vögel zu beobachten.
»Bei Freyas Arsch«, knurrte Klepp Spaki durch die Umhüllung aus Vadmaltuch, mit dem er sein Gesicht unter der Kapuze umwickelt hatte, sodass man nur noch seine Augen sah. »Wie geht das? Und woher weißt du das? Nach welchen Runen richtest du dich?«
»Die Vögel selbst sind die Runen«, sagte Olaf.
»Und wie das?«, wollte Onund Hnufa wissen, der jetzt auch hinzugekommen war und hinter Krähenbein stand. Der kümmerte sich nicht weiter um die große, bucklige Gestalt, die ihn wie ein Berg überragte. »Nach welchen Regeln entscheidest du das? Nach welchen Anzeichen?«
»Das passiert hier«, sagte Olaf und zeigte auf seinen Kopf
und dann auf sein Herz. Er hüllte sich fester in seinen Umhang, und der rote Njal brummte verächtlich.
»Bei Thors Eiern, Junge – ich war in deinem Alter genauso. Rannte überall herum und sah schwarze Zwerge und Trolle und erledigte sie mit meinem hölzernen Schwert.«
Wir lachten, denn das hatten wir alle gemacht. Olafs Blick wanderte vom Himmel zum roten Njal mit seinem rauen, vom Frost geröteten Gesicht. Er strahlte Seidr aus, wie ein Ofen Wärme ausstrahlt, und ich musste mich zusammenreißen, um mich auf das Gespräch zu konzentrieren.
»Nichts für ungut«, murmelte der rote Njal. »Sei niemals der Erste, der Freundschaftsbande zerreißt, wie meine Großmutter immer sagte.«
Ein Vogel kam angeflattert und setzte sich. »Aha«, sagte Krähenbein. »Heute passiert noch etwas Schlimmes.«
»Das ist doch alles Scheiße«, sagte der rote Njal, als Olaf außer Hörweite war. »Der Wille eines Jungen ist wie der Wind, sagte meine Großmutter immer.« Er wandte sich um und erblickte mich.
»Denkst du nicht auch, dass das Scheiße ist, Händler?«
»Ich sah und schwieg, ich hörte auf die Worte der Menschen und dachte nach«, zitierte ich ein altes Sprichwort, und er runzelte die Stirn und wartete weiter auf eine Antwort.
»Scheiße«, bestätigte ich. Auf seinem Gesicht breitete sich ein zufriedenes Grinsen aus, und ich konnte mich wieder auf meine eigenen sorgenvollen Gedanken konzentrieren.
Eine Stunde später brach am Rande einer großen Balka der Achsstift an einem der Wagen, sodass ein Rad abging. Ref Steinsson nahm eine Axt und fertigte mit großem Geschick aus dem Stiel einer zweiten Axt einen neuen Stift,
während die Männer den Wagen entluden, damit er für die Reparatur angehoben werden konnte.
Der rote Njal sah erst mich an, dann blickte er mit einem verstohlenen Lächeln hinüber zu Olaf.
»Verdammt«, brummte auch er. Ich zuckte die Schultern. Wenn weiter nichts Schlimmeres passierte …
»Heya, Händler – sieh mal.«
Hauk Schnellsegler, der beim Entladen half und die Arme voller Bündel hatte, machte eine Kopfbewegung in Richtung Steppe.
»Die dschinn, Händler, erinnerst du dich?«
Ich erinnerte mich, und an Aliabu, den Stammesangehörigen der Beduinen, der uns von den unsichtbaren Dämonen erzählt hatte, die nie die Erde berührten und deren Vorüberziehen man an den Staub- und Sandwirbeln erkannte. Jetzt kam mir die Hitze Serklands wie ein wunderbarer Traum vor.
Der Schnee tanzte, ein Wirbel aus winzigen Eiskristallen. Diejenigen von uns, die noch nie so weit von zu Hause fort gewesen waren – und das waren die meisten der neuen Eingeschworenen –, starrten abwechselnd auf dieses Schauspiel und auf Hauk und mich. Erst jetzt wurde ihnen klar, wie weit wir gereist sein mussten, um die dschinn in Serkland zu erleben.
»Ich wusste gar nicht, dass es hier auch dschinn gibt«, sagte Hauk keuchend vor Anstrengung. »Und sogar ziemlich viele, wie es scheint.«
Mir gefiel das nicht, aber ich hätte nicht sagen können, warum. Schnee stob in kleinen Wirbeln auf, mein Blick ging zum bleigrauen Himmel, und dann bemerkte ich in der Ferne eine Gestalt, die ein stolperndes Pferd in unsere Richtung peitschte und dabei etwas schrie, was wir nicht hören konnten.
Alle Arbeit hörte auf. Das Rad war wieder am Wagen, nur der Stift musste noch hineingeschlagen werden, aber jetzt blickten alle wie gebannt auf das Pferd und den Reiter, dessen fieberhafte Eile uns alle in unruhige Spannung versetzte.
Es war Morut, unser Führer, der nicht
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