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Drachenboot

Drachenboot

Titel: Drachenboot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Low
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schwarz war wie Ebenholz, zum Ohr von Allvater Odin zurückgekommen und berichtete ihm nun flüsternd von Kränkungen und Missetaten und von Kriegern, die für Walhall bestimmt, aber noch nicht gefallen waren. Ich fürchtete mich nicht, was so merkwürdig war, dass ich zu der Überzeugung gelangte, ich befände mich in einer Traumwelt auf der anderen Seite.
    »So ist es«, sagte der Einäugige, als hätte ich es ausgesprochen. »Und du möchtest wissen, was sein wird. Doch das liegt natürlich in den Händen der Nornen.«
    »Silber«, sagte ich, und obwohl noch viele Worte und Fragen, die ich hätte aussprechen sollen, mir im Kopf herumwirbelten, schien das auszureichen, und er nickte wieder.
    »Silber«, erwiderte er. »Selbst das können sie weben, die Schwestern, aber sie weben blind und sitzen im Dunkeln, und das hilft mir. Auf dem Silber muss natürlich ein Fluch liegen, sonst taugt es nicht für dieses Gewebe.«
    Ich verstand gar nichts.
    »Frag doch danach, Orm Gunnarsson – wie viel ist das Silber wert?«, hörte ich eine Stimme.
    Höfe und Schiffe, Krieger und Frauen … einfach alles.
    »Mehr noch«, bestätigte der Einäugige. »Und dieser Wälsungenschatz, den sie Attila mitgaben, ist das Geschenk für einen König. Ein verfluchtes Geschenk. Mein Geschenk.«
    Und was erwartet dieser Gott im Gegenzug? Was könnte ein Gott noch wollen, das er nicht schon hat? Krieger für die letzte Schlacht? Wenn es das war, dann brauchte er uns nur zu töten.
    Der Einäugige lachte. »Es gibt mehr Kriege, als du ahnst, und diese Schlachten dauern sehr lange. Diesen Kampf kämpfe ich schon seit der Zeit vor Hilds Ururururgroßmutter, bis zurück zur ersten dieser Linie. Denk daran, wenn es am dunkelsten ist, Orm Händler – die Gabe, die ich gebe, ist die Gabe, die ich bekomme. Was du bist, das bin ich auch.«
    Das verstand ich nicht, was ich gar nicht zu sagen brauchte  – aber er hatte von Hild gesprochen. Er sah mich amüsiert an, und sein Auge blitzte, er wusste es.
    »Der Erste ihrer Linie war der Speer, der als Kampfansage über die Köpfe der weißen Christenpriester geschleudert wurde«, sagte er, wodurch ich auch nicht klüger wurde. Er lachte ein tiefes, rumpelndes Lachen und fügte hinzu: »Um Weisheit
zu erlangen, muss man neun Nächte am Weltenbaum hängen, Junge.«
    Der Rabe Munin breitete seine ramponierten Flügel aus und schwang sich in die Luft. Wir sahen ihm nach, dann knurrte der Einäugige, als habe er Rückenschmerzen oder sei hungrig.
    »Er sucht seinen weißen Bruder, um ihn heimzubringen – Fimbulwinter ist noch nicht angebrochen, und er hat genug Federn abgeschüttelt.«
    Das blaue Auge wurde bernsteinfarben wie das eines Wolfes, und auch bei dieser Verwandlung Allvaters empfand ich keine Furcht, lediglich Neugier. Denn so war er, weder das eine noch das andere, weswegen man ihm nie ganz trauen konnte.
    »Das ist die eine Lehre, die du von hier in die Welt mitnimmst«, brummte er mit noch tieferer Stimme. »Die zweite ist, dass der Einäugige dir ein Opfer abverlangen wird, und das wird etwas sein, was dir lieb und teuer ist.«
    Der Wind heulte, und der Schnee trieb herein, als wollte er uns auslöschen, er reizte meine Augen und zwang mich in die Knie.
    Aber ich hatte keine Angst, denn dies war noch nicht Fimbulwinter …
     
    »Für dich mag das ja ein verdammter Trost sein, Händler«, sagte die Stimme neben meinem Ohr, »aber nicht für die, die noch immer bis zum Hals im Schnee stecken.«
    Hände zogen mich auf die Beine und schüttelten mich, dass ich zähneklappernd die Augen aufmachte. Licht drang herein. Licht und ein Schwall eisiger Luft, als hätte ich zwischendurch zu atmen aufgehört. Onund Hnufa, das große, ungeschlachte Walross mit dem vereisten Schnauzbart, sah mein Gesicht an und brummte zufrieden.
    »Gut. Du wirst es überleben – jetzt komm und hilf den anderen und hör auf, vom Fimbulwinter zu faseln.«
    Wir gruben sie aus. Schneeberge kamen in Bewegung
und platzten auf wie Kastanienschalen, Menschen husteten, krächzten und schnappten nach Luft, sie hielten sich aneinander fest und fanden wieder ins Leben zurück.
    Fünfzehn waren tot, zehn davon Sklaven, darunter Hekja. Thorgunna und Thordis, beide mit blau gefrorenen Gesichtern, klammerten sich aneinander und mussten aufpassen, dass ihnen beim Weinen die Augenlider nicht zusammenfroren.
    Von der Druschina waren auch drei tot, zwei von Klerkons Männern ebenfalls, was nur noch einen übrig ließ, den großen,

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