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Drachenboot

Drachenboot

Titel: Drachenboot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Low
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mit einer Hand, die Fackel mit der anderen und machte ein entschlossenes Gesicht. »Also, wenn das dieses tote Miststück ist, dann werde ich ihr gegenübertreten.«
    Finn war bekannt dafür, dass er sich vor nichts und niemandem fürchtete, aber für mich war die Angst eine unsichtbare Kraft, gegen die ich mich stemmen musste – Schritt für Schritt, einen engen Gang nach dem anderen durch Berge altersschwarzer Schätze, bis dorthin, wo eine Fackel brannte und von oben ein schwaches Licht durch das Loch in der Decke fiel. Es waren nicht mehr als vielleicht zwanzig Schritt, aber es war der weiteste Weg, den ich jemals gegangen bin.
    Dort stand eine Gestalt, dunkel und drohend, sie hielt eine Fackel in der erhobenen Hand und sah uns an wie einer der Hunde Helheims.
    »Hier bin ich, du Miststück!«, schrie Finn, und wenn seine Stimme auch etwas brüchig klang, musste ich ihn bewundern, denn meine Kehle war so trocken vor Angst, dass ich keinen Ton herausgebracht hätte.
    »Bist du das, Finn Bardisson? Komm hierher, wo ich dich sehen kann – und mäßige gefälligst deine Worte!«
    Wir sahen uns an, und dann gab Finn einen Laut von
sich, als habe ihn jemand geohrfeigt. »Thordis! Das ist ja Thordis, bei Odins haarigem Arsch!«
    »Haut ab! Lasst mich los«, schimpfte sie und stieß uns weg wie zwei aufdringliche Hunde. Sie sah uns fragend an.
    »Schon gut, aber du glaubst gar nicht, wie gut es tut, dich zu sehen«, lachte Finn und versuchte wieder, sie zu umarmen. Dabei pfiff der Godi ihr um die Ohren, und sie wich ängstlich zurück, sodass Finn sich entschuldigte und das Schwert wegsteckte.
    »Was machst du hier?«, fragte ich und fühlte schon wieder kalte Angst in mir aufsteigen.
    »Gute Frage«, schnaufte Thordis und zog ihr leinenes Kopftuch wieder züchtig über ihr Haar, von dem sich ein Zopf gelöst hatte, der ihr fast bis zum Gürtel reichte. Sie blies sich eine Strähne aus dem Gesicht und strich ihre Kleider glatt. »Ich hätte es ja schon längst gesagt, wenn ihr nicht diesen … diesen …«
    »Sprich endlich!«
    Sie erzählte, was sich zugetragen hatte – und wir griffen hastig nach dem geknoteten Seil und riefen nach oben um Hilfe.
    Wladimir und seine Gefährten waren mit dem Silber losgezogen. Unsere Männer hatten sich darüber geärgert, aber ich hatte Kvasir eingeschärft, nichts Unüberlegtes zu tun, also sorgte er dafür, dass sie der Druschina nicht an die Gurgel gingen. Die Eingeschworenen waren auf die Insel getrieben und von den Slawen entwaffnet worden. Ihre Waffen waren in einiger Entfernung abgelegt worden, und sobald diese heimtückische kleine Prinzenratte außer Schussweite war, durften die Eingeschworenen ihre Waffen zurückholen.
    Dann war Kvasir ihnen gefolgt, zu Fuß, denn wir hatten keine Pferde mehr. Er hatte Gisur die Verantwortung
übertragen, und – dafür verfluchte ich ihn bis ans Ende der Welt und wieder zurück – Thorgunna war unbemerkt allein zurückgeblieben, als alle anderen mit ihren Waffen zum Grabhügel kamen. Dann war sie Kvasir gefolgt. Als alle wieder an Attilas Grab waren, schickte Gisur Thordis nach unten, um uns zu suchen, und die Tatsache, dass er eine Frau an diesen Ort geschickt hatte, sagte eigentlich alles, aber ich war viel zu wütend, um es begreifen zu können.
    »Was in aller Welt hat Kvasir sich dabei gedacht?«, schrie Finn, als er aus dem Loch kletterte.
    Von unten rief Thordis zurück: »Jon Asanes ist auch weg – Kvasir wollte hinter ihm her!«
    »Und Thorgunna?«, wollte ich wissen, während ich beide Hände unter ihr Hinterteil schob, um ihr am Seil nach oben zu helfen.
    »Sie wollte mit Kvasir gehen«, sagte sie keuchend vor Anstrengung. »Und pass auf, was du mit deinen Händen machst, Jarl Orm, sonst musst du für diese Freiheit bezahlen und mich heiraten.«
    »Entschuldige«, murmelte ich und kletterte ebenfalls hoch.
    Oben wartete Gisur, und schnell bildete sich ein Ring aus lauter Rücken um uns, als alle Eingeschworenen sich, den Schild nach außen, um die Öffnung stellten. Nicht weit von uns saß Fisch mit Hauk Schnellseglers Bogen und seinen letzten sechs Pfeilen.
    »Warum wollte sie unbedingt mit Kvasir gehen?«, fragte ich, noch immer wütend, und wandte mich halb zu Gisur um. »Und warum hast du sie gehen lassen, du Schwachkopf?«
    »Er ist ihr Mann«, erwiderte Thordis. »Er kann mit dem einen Auge, das ihm geblieben ist, auch nicht mehr viel sehen und wird bald ganz blind sein – und trotzdem sieht
er klarer als du,

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