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Drachenboot

Drachenboot

Titel: Drachenboot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Low
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Runenschwert, das ich vorsorglich über meine Knie gelegt hatte, in die Höhe sauste und seinen Hieb abfing.
    Es klang wie ein Hammer auf dem Amboss. Ich hörte einen Ton wie von einer gesprungenen Glocke und wusste, dass es sein Schwert war, das an meinem zerbrochen war. Dann traf er auf mich, geifernd wie ein wütender Stier, in der Hand nichts weiter als den Schwertgriff mit der abgebrochenen Klinge.
    Keuchend und mit lautem Krachen gingen wir zu Boden, ich sah Sterne. Ich hörte ein Grunzen und einen Schrei, dann spürte ich ein heftiges Zucken, und schließlich hörte ich ein schmatzendes Geräusch.
    Eine Hand ergriff mich, ich wurde hochgezogen, und Finn – nass von Brondolfs Blut und Hirnmasse – hielt mich im Arm. Brondolf lag auf dem Gesicht mit einem rautenförmigen Loch im Hinterkopf, unter ihm sammelte sich Blut.
    »Dabei wollten wir doch nur den kleinen Eldgrim hier rausholen«, keuchte Finn und betrachtete seinen von Blut tropfenden Godi. »Kein Grund, gleich wild zu werden.«
    Und dabei war der kleine Eldgrim gar nicht hier, wie wir jetzt feststellen mussten. Wir schlitterten über den nassen, dunklen Boden und suchten alles ab, fanden aber keine Spur von ihm. Dann kamen wir dorthin zurück, wo Lambisson lag, und drehten ihn um, denn es heißt, dass die Augen eines Toten die Wahrheit sprechen.
    Sein wundes Gesicht war eingefallen vor Hunger und verfärbte sich schon bläulich weiß, in seinen toten Augen spiegelte sich das Eis der Wände wider, hell und klar wie Silber. Sein Gesicht sprach zweifellos die Wahrheit, nur war es nicht die Wahrheit, die wir suchten.
    Finn sah sich um. Er betrachtete die Silberberge und die glänzenden Wände, dann nahm er das Valknut-Amulett ab und schlang es um die Finger des Toten, die schon steif wurden. Ich war erstaunt: Das Amulett gehörte mir, und ich hätte Lambisson nicht einmal den Rotz aus meiner Nase gegönnt. Als ich Finn das sagte, nickte er, als habe er verstanden.
    »Es ist nicht für ihn«, krächzte er heiser. »Es ist zu Ende, Orm. Dieser verfluchte kleine Mönch hatte recht – dieser ganze Kampf, den Weg hierher zu finden – und wofür? Wir müssten für immer hierbleiben, wenn wir uns den Schatz sichern wollten, und wir müssten es jeden Tag gegen den Rest der Welt verteidigen. Ich würde das Doppelte von dem hier geben, wenn Storchenbein und Hasenscharte
und Skapti und all die anderen dort am oberen Ende des Seils auf uns warten würden. Ja, sogar Einar, obwohl du da wohl anderer Meinung bist.«
    Er schüttelte den Kopf und stand auf, aber seine Worte trafen mich wie ein buran. Natürlich hatte er recht. Wir konnten unsere Stiefel und Wagen füllen und aus unseren Tuniken und Umhängen Säcke nähen, und trotzdem würden wir kaum eine Delle in diesem riesigen Silberberg hinterlassen. Nach uns würden andere beutegierige Horden kommen, um der letzten Ruhestätte Attilas das Herz auszureißen. Jetzt war es kein Geheimnis mehr.
    Das Geschenk Odins. Es hatte sich nicht gelohnt, wie ich schon immer geahnt hatte, und das sagte ich Finn. Der nickte, dann tat er etwas, das mich so überraschte, dass ich fast mein Schwert fallen ließ. Er legte mir die Hand auf den Arm und sah mich mit ernstem Gesicht an: »Du hattest völlig recht, dass du nicht wieder hierherkommen wolltest. Wir hätten auf dich hören sollen.«
    Mich durchflutete ein heißes Gefühl der Scham. O ja, ich war dagegen gewesen, hatte meine Skepsis geäußert, hatte mich gegen das Unternehmen gestemmt wie der Mann an der Spitze eines Schweinekopfs – aber wer hatte denn die Runen in den Griff meines Schwerts eingeritzt? Wer war es, der ganz genau wusste, er würde sie früher oder später wieder brauchen, weil er der Versuchung nicht widerstehen konnte, hierher zurückzukommen?
    Steif und mit schmerzenden Gliedern standen wir auf, als wir eine Stimme hörten, die wie ein kalter Nebel durch die dunklen Gänge drang und um die schwarzen Silberberge waberte. Eine hohe, dünne Stimme, eine Frauenstimme. Sie rief meinen Namen. Ein unsäglicher Schauer durchfuhr mich.
    Hild.
    Ich sah Finn an, und er sah mich an, und ausnahmsweise sah ich einmal kein verächtliches Stirnrunzeln, nur seine nervöse Zunge, mit der er sich über die trockenen Lippen fuhr.
    »O-o-orm!«
    »Beim Auge Odins, Junge«, flüsterte Finn heiser.
    »Fi-inn!«
    »Hast du das gehört?«, fragte ich, und sein Gesicht war Antwort genug.
    »Das habe ich sogar mit meinem einen Ohr gehört«, knurrte er, dann packte er den Godi

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