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Drachenboot

Drachenboot

Titel: Drachenboot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Low
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Halsketten aus silbernen Tieren und den schönen Armreifen. Ihre Rüstung bestand aus hochpolierten Hornplättchen, die von Pferdehufen abgespalten worden waren, darunter trug sie weite, mit Gold durchwirkte Hosen. Doch am hellsten glänzten ihre schwarzen Augen.
    Die Stille dehnte sich aus, bis ich es nicht länger ertragen konnte, also nickte ich ihr höflich zu und sagte: »Skjaldmeyjar .«
    Sie neigte den Kopf auf die Seite wie ein neugieriger Vogel und antwortete lächelnd in gutem Griechisch: »Ich hoffe, dass das in deiner Sprache etwas Nettes ist.«
    Ich erklärte ihr, was es bedeutete – Schildmaid – obwohl sie mir wie jemand vorkam, den man »Valmeyjar« nannte, was unwissende Menschen, die nicht von den Fjorden stammen, mit »Schlachtenmaid« übersetzen. Doch in Wirklichkeit bedeutet das Wort »Leichenmaid«, »Hüterin der Gefallenen«, und es ist ein Name, den man einem Weib geben würde, das aussieht wie eine Wolfsgroßmutter, die schon zwei Wochen tot ist. Doch das erzählte ich ihr nicht.
    »Du kennst meinen Namen«, fügte ich hinzu und wartete ab.
    »Mich nennt man Amacyn«, erwiderte sie. »Das ist der
Name, den ich als Anführerin der tupate trage und den alle Anführerinnen bekommen, die damit alle ihre Familienbande aufgeben. Es bedeutet so viel wie Mutter der Leute, aber die dummen Griechen dachten, es sei der Name für uns alle, und deshalb nannten sie uns amazonoi.«
    »Wer sind die tupate?«, fragte ich, und mir schwirrte schon jetzt der Kopf. Sie breitete die Hände aus, eine Geste, die alle Reiterinnen einbeziehen sollte. »Das sind wir. Auf Griechisch hießen wir tabiti. Es ist schwer zu übersetzen, aber am nächsten käme wohl der Begriff – Eingeschworene.«
    Jetzt musste ich mich erst mal auf eine Ferse setzen. Eingeschworene. Wie wir. Das sagte ich, und sie reagierte mit einer kleinen Handbewegung, die wohl bedeuten sollte: vielleicht – vielleicht auch nicht.
    »Du hast ein Schwert«, sagte ich auf Griechisch. »Genau wie meins. Hild hatte es zuletzt.«
    Sie lächelte und bedeckte ihr Gesicht mit der Hand, was bei ihnen Sitte war, wie ich später erfuhr. »Hild. Habt ihr sie so genannt? Die im Grab des Herrn der Welt ist?«
    »Es ist der Name, den sie sich selbst gab«, antwortete ich mühsam atmend, denn mir war, als stünde ich am Abgrund und hätte das absurde Bedürfnis, loszufliegen. »Wie bist du zu diesem Schwert gekommen?«
    »Hild«, wiederholte sie, dann lachte sie, ein überraschendes, leichtes Lachen. »Ildiko. Ja, das wäre ein Teil ihrer Buße. Oder ein schlechter Scherz.«
    Ich verstand nicht, und sie merkte es. Sie nickte ernst und hockte sich etwas bequemer hin, sodass ihre Knie jetzt neben ihrem Kinn waren, und legte die langen, mageren Hände darum.
    »Vor langer Zeit«, sagte sie, »als die Wälsungen Attila, dem Herrn der Welt, ihre Schätze und eine Frau namens Ildiko
brachten, waren wir ausersehen, dafür zu sorgen, dass das Leben unseres Herrn im Jenseits nicht gestört werde.«
    Sie machte eine lässige Handbewegung und sprach, als sei das erst gestern gewesen.
    »Wir sorgten dafür, dass niemand, der am Bau des Grabes beteiligt war, das Geheimnis verraten konnte, angefangen bei denen, die gruben, über die, die planten, bis hin zu denen, die die Schätze hierherbrachten.«
    Sie schwieg und sah mich mit ihren schwarzen Augen an, dass es mir das Herz zusammenzog. Fast hätte ich glauben können, sie sei selbst dabei gewesen und habe das Gemetzel überwacht.
    »In der Steppe floss tagelang Blut«, sagte sie, »sodass schließlich nur noch die Auserwählten und die Fliegen wussten, wo das Grab lag. Das war das Werk der Auserwählten.«
    Wieder entstand eine lange Pause, in der sie an den Riemen ihrer weichen Stiefel nestelte und ihre Gedanken sammelte. Meine Gedanken drehten sich um all die kreischenden Folgegeister, die in dieser Gegend umgehen mussten, und darum, ob diese Frau auch dazugehörte, weil sie mit einer solchen Autorität von der Zeit vor fünfhundert Jahren sprach. Kein Wunder, dass das Gebiet auf viele Meilen unbewohnt blieb.
    »Natürlich rechneten wir damit, dass der Herr der Welt es noch lange nicht bewohnen würde«, fuhr sie fort, »aber die Wälsungen kamen mit ihren Silbergeschenken, ihren Schwertern und mit Ildiko, der neuen Braut. Sie blieben nicht zur Hochzeit – natürlich wagten sie es nicht, da Ildiko den kaltblütigen Mord plante – und als sie gingen, ging eine von uns mit.«
    »Eine von … euch?«, fragte ich

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