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Drachenboot

Drachenboot

Titel: Drachenboot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Low
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Lambisson nicht mehr in Aldeigjuborg war, wenn er denn überhaupt je da gewesen war. Wir nutzten die Zeit unseres Aufenthalts, um den Gedenkstein der Eingeschworenen aufzusuchen, den Einar für die Gefährten hatte errichten lassen, die schon bei der ersten Suche nach Attilas Grab nicht bis hierher gekommen waren.
    Das war vor sechs Jahren gewesen, und jetzt standen die Überlebenden um den Stein, etwas mehr als eine Handvoll Männer – Hauk, Gisur, Finn, Kvasir, Hlenni Brimill, Runolf Hasenscharte, der Rote Njal und ich. Thorkel war auch dabei, denn er hatte Storchenbein und Skapti Halbtroll
und die anderen gekannt, auch wenn er damals nicht mehr bei uns war. Der verkrüppelte Dorschbeißer und der kleine Eldgrim, der jetzt wirr im Kopf war, waren zwei weitere Männer, derer wir hier gedachten.
    »Hier ist jemand gewesen«, bemerkte Kvasir und deutete auf die Girlande aus Eichenblättern, die auf dem Stein lag.
    Das musste schon vor langer Zeit gewesen sein, das Eichenlaub war fast schon zu Staub zerfallen. Doch ihre Namen waren erhalten, und obwohl die Farbe verblasst war, waren sie tief in den Stein gemeißelt, und die Geschichte war nicht vergessen. Wir sprachen unsere Gebete, legten unsere Opfergaben nieder und gingen wieder.
    Finn meinte, die Eichengirlande könne von Storchenbeins Frau stammen, die mit Sohn und Tochter in dieser Stadt gewohnt hatte. Doch als wir sie aufsuchen wollten, erzählten uns die Nachbarn, dass sie schon vor Jahren weiter nach Süden gezogen war. Mir fiel ein, dass Storchenbeins Frau eine Slawin war, dadurch waren seine Kinder halb Nordisch, halb Rus.
    Jetzt gab es nur noch den Stein, und der Wind strich über ihre Namen.
    Die Elk blieb mit allen Männern in Aldeigjuborg, bis auf Finn, Kvasir, Thorgunna und mich – und den jungen Olaf, der zitterte und ängstlich zur Drachenschwinge und ihrer Besatzung hinübersah. Ich machte mir Sorgen, dass er uns womöglich in Schwierigkeiten bringen könnte, und hoffte, dass Gisur genug Männer hatte, um die Elk zu schützen. Dennoch hatten wir ein riskantes Unternehmen vor uns, selbst wenn wir so weit entfernt wie nur irgend möglich von der Drachenschwinge lagen und beide Seiten die Strafe kannten, die darauf stand, wenn man anfing, sich in Swjatoslaws Reich gegenseitig die Schädel einzuschlagen.
    Ich hatte erst vorgehabt, die Elk bis nach Nowgorod mitzunehmen,
doch ich war froh, dass ich es nicht getan hatte. Langsam stakten wir auf dem kalten Fluss dahin, durch tropfende Tannen- und Kiefernwälder, wo die Menschen Lichtungen geschaffen hatten, auf denen sie sich mit ihren kleinen dreizinkigen Pflügen abmühten. Der Wolchow schien noch weitaus mehr gefährliche Stromschnellen zu haben, als ich es von meiner ersten Reise mit Einar in Erinnerung hatte.
    Diesmal schien hier alles aus Marsch und Sumpf zu bestehen, eine hässliche Landschaft, besonders wenn die Bäume kahl waren. Erst weiter im Süden fing die fruchtbare schwarze Erde der Steppe an, die die Slawen chernoziom nannten und die so locker war, dass man sie nur einmal zu pflügen brauchte, und man konnte noch Jahre später Weizen in ihr säen.
    »Ja, das Land hier ist schlecht«, sagte der rote Njal. »Aber was machen die denn da, warum kochen sie Wasser in diesen großen Pfannen?«
    »Salz«, sagte Kvasir. »Hier gibt es Quellen, die so salzig sind wie das Meer.«
    »Keine schlechte Idee«, bemerkte Ospak, »den Leuten gekochtes Seewasser zu verkaufen.«
    Er war zum ersten Mal hier, und alles war neu für ihn.
    »Richtig«, sagte Finn. »Also musst du zugeben, dass wir an Bord der Elk sogar noch reicher sind als Kvasir der Sabberer, denn wir schwimmen in dem Zeug.«
    Alles lachte, nur Kvasir verzog keine Miene und ließ sich nicht von der Arbeit abbringen. Er war dabei, mit großer Sorgfalt Löcher in seinen Anteil der Golddinare zu bohren, um daraus eine Halskette für Thorgunna zu machen. Die hatte nach wie vor nur Augen für den kleinen Olaf Krähenbein, auf dessen Kopf der Grind abheilte und sich bereits ein weicher Haarflaum zeigte. Es war ganz klar, dass
wir ihn nicht wie einen Sklaven behandeln konnten, egal was er sein mochte, also setzte ich mich auf der Strug neben ihn.
    »Du magst ein Prinz sein oder auch nicht«, sagte ich, während Thorgunna strahlend daneben stand, »aber auf jeden Fall bist du jetzt frei.«
    Ich streckte ihm meine Hand hin. Er sah mich mit seinen verwirrenden Augen an, dann grinste er und ergriff mein Handgelenk mit seiner kleinen Hand.
    Später, als

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