Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Drachenboot

Drachenboot

Titel: Drachenboot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Low
Vom Netzwerk:
unser schöner Lambi ist genauso«, warf Thorgunna ein. »Wenn Jungen zu Männern werden, glauben sie immer, alles besser zu wissen.«
    Das war richtig, und damit schien die Sache erledigt. Ich wusste schon, dass ich mich mehr drum hätte kümmern müssen, aber ich war mit zu vielen anderen Dingen beschäftigt gewesen. Wir saßen gemütlich da, und es mangelte uns nicht an Gesprächsstoff. Wir fragten nach Jons Gesundheit. Sie sei gut, hörten wir, natürlich immer mit der Einschränkung, dass er ein Serkländer mit olivfarbener Haut war, eine Rasse, die Eis und Schnee nicht gewohnt ist. Wir sprachen auch über den Handel, der durch Swjatoslaws sinnlose Dauerfehde mit der Großen Stadt äußerst schwierig geworden war.
    Tvorimir fragte, ob wir sein Badehaus benutzen wollten, worauf Kvasir sich fast an seinem Bier verschluckte und Finn den Slawen mit einem Blick bedachte, der die Vergoldung an den Schnitzereien des Giebels hätte abblättern lassen. Wir waren echte Nordmänner, und im Gegensatz zu den dreckigen Franken, Sachsen, Esten und Livländern hatten wir eigentlich nichts gegen ein wöchentliches Bad – aber im Winter sollte man doch mit diesen Dingen lieber vorsichtig sein.
    Das Baden der Rus war allerdings eine etwas andere Sache. Ich habe diese Leute in ihren Badehäusern gesehen, die vorher stark geheizt werden. Dann gehen sie nackt hinein und begießen sich mit einem Öl, worauf sie sich mit jungen Zweigen peitschen, bis sie halbtot wieder herausgewankt kommen.
    Dann schütten sie kaltes Wasser über sich. Das machen sie jeden Tag, und zwar ganz freiwillig, nicht als eine Form von körperlicher Züchtigung, sondern einfach um sich zu reinigen. Selbst die griechischen Römer in der Großen Stadt haben keine derart grausamen Sitten, nur um sich zu waschen.
    Wir machten es uns stattdessen um den Lehmofen herum
bequem, bedienten uns mit Salz aus dem geschnitzten kleinen Salzfässchen, das wie ein Thron aussah, streuten es auf das wohlschmeckende Brot und tranken Bier dazu. Wir unterhielten uns über Leute, die wir kannten, und darüber, welche Sorte Fisch es im Ilmensee gab, und stritten darüber  – weil es ein naheliegendes Thema war –, wie viele Flüsse in den See fließen. Schließlich kamen wir auf zweiundfünfzig, wobei nur einer – der Wolchow – auch wieder herauskommt und bis nach Kiew fließt.
    Die Unterhaltung plätscherte so vor sich hin und wandte sich irgendwann auch dem Sklavenhandel zu. Wir wollten wissen, ob es neue Sklaven gab.
    Tvorimir runzelte die Stirn und sagte: »Dafür ist es zu spät im Jahr. Der Ilmen friert bald zu, und dann kommt kein Schiff mehr von der Mündung des Wolchow und nach Süden. Der einzige Händler, den es noch in Nowgorod gibt und der nach Süden will, ist Takub.«
    Finn knurrte, und wir anderen sahen uns an. Takub kannten wir gut. Vor einigen Jahren hatte er unsere Rudergefährten als Sklaven gekauft, als wir sie sicher in Nowgorod vermuteten. Sie waren zurückgeblieben, als Einar den Rest von uns anführte und wir auf der Suche nach Attilas Grab waren.
    Mit diesem eigenmächtigen Vorgehen hatten wir Fürst Swjatoslaw verärgert, und deshalb hatte er unsere Männer festgenommen und an Takub verkauft, der sie an einen Emir in Serkland weiterverkaufte. Die wenigen von uns, die nach Einars Tod noch übrig waren, hatten danach die schwere Aufgabe, auf den Spuren unserer Rudergefährten nach Serkland zu ziehen, um sie wieder zu befreien. Auf dieser Reise war der Ziegenjunge zu uns gekommen.
    Wir hingen noch unseren Erinnerungen nach, als der Junge selbst endlich auftauchte. Er brachte von draußen einen
Schwall kalter Luft mit, aber seine gute Laune wärmte uns alle. Freudestrahlend wurde er gleichzeitig von Kvasir umarmt wie von einem Bären und von Finn mit seinem Bart zugedeckt, bis alle drei auseinanderfuhren und angeekelt die Gesichter verzogen.
    »Puh, du stinkst!«
    »Junge, ist das Parfüm?«
    Sie sahen sich an, und wir alle platzten los vor Lachen. Natürlich war Jon Asanes sauber gewaschen und parfümiert, denn er war ja Grieche und seit drei Jahren von uns getrennt, und natürlich auch von unserem rechtschaffenen nordischen Geruch nach verschwitzter Wolle und Fisch. Nach dieser langen Zeit rümpfte er jetzt die Nase, genau wie Finn die seine über den lieblichen Duft des Jungen rümpfte.
    Trotzdem hielten wir wie alte Freunde unsere Unterarme umklammert, und ich merkte, dass mein Herz dabei einen Freudensprung tat – und das seine auch, wie ich

Weitere Kostenlose Bücher