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Drachenboot

Drachenboot

Titel: Drachenboot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Low
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Jon Asanes, den wir als unseren Ziegenjungen kannten.
    Schließlich fanden wir Tvorimir, dem wir den Ziegenjungen damals anvertraut hatten, damit er ihm beibrachte, wie man Handel betrieb, mit gerissenen Geschäftsleuten umging und seine Konten auf Birkenrinde führte. Wir waren uns alle einig, dass Tvorimir als Lehrmeister bestens geeignet war, denn sein Spitzname war Soroka – Elster –, da er keinem auch nur halbwegs blanken Gegenstand widerstehen konnte.
    Sein Haus war eins von der besseren Sorte, die man Isba nannte – fast wie eine Halle, nur dass es mitten in der Stadt lag. Es war zu drei Seiten um einen Innenhof gebaut, mit Ställen, Heu- und Kornspeichern und einem dieser Badehäuser, die hier so beliebt waren. Statt einer offenen Feuerstelle gab es einen Lehmofen in der Ecke – eine wunderbare Einrichtung.
    Er ähnelte weniger einer Elster als einem dicken, aufgeregten Huhn. Der Mann bestand, wie Kvasir feststellte, aus lauter Kugeln: auf den beiden dicken, runden Beinchen saß sein kugelrunder Bauch und darauf eine kleine rote Kugel mit weißer Wolle darauf, das war sein Kopf.
    Nachdem er uns alle umarmt und auf den Rücken geklopft hatte, wurden wir mit Brot, Salz und Bier aus dem
Keller bewirtet, dann watschelte er schnaufend zu einer Theke am großen Lehmofen. Als ich Jon Asanes erwähnte, schüttelte er den Kopf.
    »Das ist ein kluger Bursche, der schnell lernt«, erzählte er. »Arbeitet auch gut – wenn man ihn lange genug festhalten kann. Er hat auch angefangen zu schreiben, aber leider hat das nichts mit guter Kontenführung zu tun.«
    Er sah uns an und legte einen Finger an die Nase. »Liebesgedichte«, sagte er dann und lachte, dass alles an ihm bebte und er beängstigend nach Luft japste. Er rollte mit den Augen und rezitierte: ›Welch Feuer in meinem Herzen, in meinem Körper und in meiner Seele, für dich, deinen Körper und deine Person; lass es dein Herz, deinen Körper und deine Seele entzünden, für mich und für meinen Körper und meine Seele.‹«
    »Bei Tyrs Knochen«, flüsterte Finn halb bewundernd, halb entsetzt.
    »Wir sind anscheinend gerade noch rechtzeitig gekommen«, meinte Kvasir.
    »So was könntest du für mich auch mal schreiben«, sagte Thorgunna und stieß Kvasir an, der ein schockiertes Gesicht machte, dann aber zu grinsen anfing.
    »Zum Glück kann ich weder lesen noch schreiben, bis auf ein paar Runen hier und da. Und jetzt, wo ich nur noch ein Auge habe, will ich es nicht mit solchen Sachen überanstrengen.«
    »Du musst es nicht aufschreiben, du kannst es mir einfach ins Ohr flüstern«, entgegnete Thorgunna, während Tvorimir ein Auge zukniff und schwieg. Er war weit gereist, dieser Soroka, war aber eher Slawe als Schwede, und wie alle Slawen wusste er, wo Frauen ihren Platz hatten. Wie alle war auch er der Meinung, dass eine Frau kein richtiger Mensch ist, genau wie ein Huhn kein richtiger Vogel
ist – nur wagte er nicht, das in Gegenwart einer Frau der Wik laut zu sagen, besonders wenn sie wie ein Kriegsschiff gebaut war.
    »Wo ist Jon Asanes?«, fragte ich, und Tvorimir lächelte mit seinen schwarzen Zähnen.
    »Im Kloster von Juriew«, sagte er, und seine Fettmassen fingen wieder an zu schwabbeln vor lauter Lachen.
    »Es war früher der Hof eines Salzsieders«, fügte er hinzu, »bis ein paar bulgarische Mönche aus einer Stadt namens Ohrid hier ankamen und ihren weißen Christus und griechische Sitten mitbrachten. Der junge Prinz Wladimir interessiert sich sehr für diese Dinge. Und für mich ist das nützlich, denn sie schulden mir Geld, und der Junge soll bei ihnen dafür Latein und Griechisch lernen.«
    Das klang vernünftig, denn Jon Asanes war ein Christusanhänger, genauso wie die Griechen aus Zypern, wo seine Mutter noch immer lebte – wenn sie noch lebte. Er hatte uns auf Zypern gute Dienste geleistet, und wir hatten ihn mitgenommen, aber obwohl wir zu seiner Familie geworden waren, hatte er mit den Göttern von Asgard nichts anfangen können.
    »Er verbringt seine gesamte Zeit bei den Griechen dort – es sind hauptsächlich Priester und Laienbrüder, aber auch ein paar Händler aus der Großen Stadt«, fuhr Tvorimir fort. »Er lernt viel, aber ich habe leider festgestellt, dass er ihre Sitten den unseren vorzieht. Er liegt mir in den Ohren, ich solle ihn in die Große Stadt schicken, von der er behauptet, dass sie Konstantinopel heißt. Er findet, ich sei ein Barbar, weil ich sie Miklagard nenne oder einfach die Große Stadt.«
    »Ach,

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