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Drachenboot

Drachenboot

Titel: Drachenboot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Low
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umgebracht, als ich die Chance dazu hatte.
    »Und dich hat er laufen lassen?«, brachte ich verächtlich heraus, als sei damit die ganze Geschichte nichts weiter als ein Märchen.
    »Nein«, sagte er. »Mich brauchte er natürlich auch, aber ich habe mich bei der erstbesten Gelegenheit davongemacht.«
    Ja, das glaubte ich gern. Martin hatte viele Fähigkeiten, aber seine größte war es, spurlos zu verschwinden.
    »Er hatte jetzt mehr als einen Monat Zeit«, sagte Martin. »Er hat sich eine Mannschaft zusammengestellt, die genauso gut ist wie die Eingeschworenen – Kriwitschen und Chasaren, wie ich höre. Er ist losgezogen, um Attilas Schatz zu suchen, und er hat deine Freunde mitgenommen. Allerdings ist das, woran Eldgrim sich erinnert, immer noch etwas wirr. Es dürfte Brondolf einige Zeit kosten, vielleicht findet er ja auch gar nichts.«
    Plötzlich erstarrte er, und seine Augen zuckten.
    »O Christus«, sagte er, und ich drehte mich um. Jon, der mein Handgelenk umklammert hielt, drückte fester zu, und ich dachte, es hinge mit Martins Erzählung zusammen, aber er starrte über den Marktplatz, dorthin, wo Klerkon zu Füßen der Perun-Statue kniete und Münzen und Opfergaben darbrachte.
    Martins Augen sprühten geradezu vor Hass, und als ich an ihm vorbei auf Klerkon zuging und mich fragte, was dieser dem Mönch angetan haben mochte, sah ich erst im
letzten Moment den kleinen Mann neben ihm, der mir mit einem Grinsen, das überwiegend aus Zahnlücken bestand, sein Gesicht mit den hohen Backenknochen zuwandte – Takub.
    Er hielt eine Kette in der Hand, an deren anderem Ende drei gefesselte Frauen standen, eine davon war Thordis. In einiger Entfernung sah ich Finn herbeieilen, hinter ihm Kvasir und Thorgunna.
    Klerkon stand auf, verbeugte sich vor dem großen Standbild und drehte sich zu mir um. Er zögerte einen Augenblick, dann sah er Finn an und grinste.
    »A fronte praecipitium, a tergo lupi«, sagte er.
    »Es wäre in deinem Interesse, wenn das übersetzt hieße: ›Hier habt ihr sie zurück, Jungs, tut mir leid, dass ich sie mitgenommen habe‹, denn sonst hast du meine Klinge im Arsch, Klerkon«, schnauzte Finn ihn an.
    »Es heißt: ›Vor mir der Abgrund, hinter mir Wölfe‹«, klärte ich Finn auf.
    Klerkon hob eine Augenbraue und streckte die Hände aus – ganz langsam, um zu zeigen, dass sie leer waren und er auch nicht die Absicht hatte, eine Waffe zu ziehen.
    »Es wäre nicht sehr klug, glaube ich, hier auf dem Marktplatz von Groß-Nowgorod einen Streit anzufangen«, sagte er lächelnd. »Vor allem, wo Takub diese drei Sklaven gerade von mir gekauft hat, und zwar ganz legal.«
    »Das sind keine Sklaven«, knurrte Finn, aber dann rieb er sich verwirrt die Stirn, denn zwei davon waren ja tatsächlich Sklaven von Tors Hof. Nur Thordis war eine Freie. Ihr Gesicht war weiß wie Teig, aber ihr Blick war zuversichtlich, sie wusste, wir würden sie befreien. Mit Erleichterung begriff ich, dass Klerkon ganz offensichtlich nicht wusste, wer Thordis war, denn sonst hätte er sie nicht verkauft.
    »Beati possidentes. Glücklich sind die Besitzenden«, lachte
Klerkon. Finn verzog den Mund, und selbst wenn er die Gesetze um Recht und Eigentum verstanden hätte, es hätte nichts genützt. Ich hob die Hand, und er blieb stehen.
    »Griechische Jungen und … na so was, das ist ja der Christenpriester, den ich gesucht hatte«, sagte Klerkon überrascht und sah über meine Schulter auf Martin, der sich duckte wie eine Ratte, die ein Loch sucht.
    »Ich dachte mir schon, dass du ihn suchen würdest, um ihn zum Schweigen zu bringen, aber nicht, dass du ihn so schnell finden würdest.«
    »Du hättest nicht nach Hestreng kommen sollen«, sagte ich. Er breitete die Hände aus.
    »Das war doch nur ein kleiner Strandhogg, nichts Ernstes. Du hast kaum etwas dabei verloren und bist einen Nachbarn und Rivalen losgeworden. Hodie mihi, cras tibi.«
    Das schien seine Devise zu sein. Ich spürte, wie Finn vor Wut an seiner unsichtbaren Kette zerrte wie ein bissiger Hofhund. Noch ein Wort Latein und es würde Blutvergießen geben, was ich auf keinen Fall wollte. Klerkon hatte recht, diese Stadt wurde von einem Wetsche regiert, was bei den Slawen eine Art Thing war. Meinungsverschiedenheiten wurden mit Massenschlägereien auf der Brücke des Wolchow ausgetragen, aber wer gegen den Frieden der Stadt verstieß, der wurde gepfählt.
    Klerkon war hierhergekommen, um Martin zu suchen und um zu sehen, was er aus dem Mönch

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