Drachenboot
hier wurde gekauft und verkauft, Felle, grüne Tontöpfe und Bernstein wechselten den Besitzer, und immer wieder legten Menschen Opfergaben zu Peruns Füßen ab – doch es schien, als habe sich um uns drei herum ein Kreis gebildet, in dem wir unsichtbar und unerreichbar waren.
Als ich nicht antwortete, sah Martin mich mit seinen Eidechsenäuglein an und grinste mit seinen verfaulten Zähnen. »Ich sehe, du trägst noch immer dein heidnisches Amulett. Das Zeichen Odins. Schwöre darauf, dass du mir das gibst, was ich suche, wenn ich dir dafür erzähle, was ich weiß.«
»Das ist kein lohnendes Geschäft für mich. Ich will gar nicht wissen, wie man mit einem Brot und einem Hering
eine Menschenmenge satt macht, selbst wenn ich glaubte, dass du den Trick beherrschst. Allerdings, wenn du weißt, wie man Wasser in Wein verwandelt …«
Seine scharfe Stimme unterbrach mich. »Entscheide du selbst. Mein Geheimnis betrifft einen alten Feind und ein Grab, vollgestopft mit Silber.« Und nach einigem Zögern sagte er: »Der alte Feind ist Brondolf Lambisson.«
Als selbst das mich nicht so zu beeindrucken schien, wie er gehofft hatte, kniff er die Augen zusammen.
»Brondolf ist nach Birka zurückgegangen«, sagte ich so beiläufig wie möglich, als interessiere mich der Mann nicht weiter.
Martin nickte. Dann sagte er: »Ja, richtig, nach Birka. Wo sollte er auch sonst hingehen? Dort saß er und musste mit ansehen, wie die Stadt um ihn herum vor die Hunde ging, und dachte verzweifelt darüber nach, wie er sie retten könnte. Es gelang ihm nicht, Birka ist jetzt eine Stadt mit verfallenen Häusern und verrottenden Palisaden. Also folgte Brondolf dem Handelsweg und ging nach Hedeby. Als er dort zwei Eingeschworene traf, die er kannte, hätte er denken können, dass Gottes Hand im Spiel sei – wenn er nicht auch so ein verdammter Heide gewesen wäre.«
»Ja und? Was hat er sich davon versprochen?«, fragte ich barsch, obwohl ich die Antwort wusste.
»Das Geheimnis um Attilas Grab natürlich.«
»Dorschbeißer kann nicht mal seinen eigenen Arsch finden, und der kleine Eldgrim ist …«
»Eldgrim«, sagte Martin, als müsse er nachdenken. »Das ist der Kleine mit dem Narbengesicht, nicht wahr?«
»Er ist verwirrt«, sagte ich, und Martin nickte.
»Und darum kam Lambisson zu mir«, sagte er. »Er fand, dass ich in seiner Schuld stehe, und dachte, ich wüsste vielleicht, wie man Eldgrim zum Reden bringen kann.
Dorschbeißer hatte ihm wohl angedeutet, dass dieser Eldgrim mehr wusste.«
Jetzt zappelte ich an seinem Haken, und er wusste es. Ja, Eldgrim wusste einiges darüber. Ich, der Latein und Griechisch gelernt hatte, verstand von Runen nicht mehr als ein Kind. Wen also hätte ich sonst bitten können, das Geheimnis in meinen Schwertgriff zu ritzen, als den Mann, der von allen Eingeschworenen dort in der Steppe noch übrig war und sich mit Runen am besten auskannte?
Seit dem Kampf in Serkland, bei dem er einen Schlag auf den Kopf bekommen hatte, war sein Geist verwirrt. Ich wünschte, ich hätte sicher sein können, dass jede Erinnerung an das Geheimnis damit ausgelöscht war, aber in seinem Kopf ging es merkwürdig unberechenbar zu, manchmal erinnerte er sich an uralte Begebenheiten, als wären sie gestern passiert, während er oft nicht mehr wusste, was er vor einer Stunde gemacht hatte.
»Du konntest Lambisson auch nicht weiterhelfen«, sagte ich mit mehr Hoffnung als Überzeugung.
Martin grinste. »Er hat mich überredet, alles zu versuchen. Er schlug mir die Zähne ein und gab mir zähes Fleisch zu essen, das ich nur auslutschen konnte. Es würde kein anderes Essen geben, bis ich etwas aus Eldgrim herausbekommen hätte, sagte er.«
Das war sehr schlau und grausam, aber eigentlich auch nichts anderes als die Methode mit dem Messer der Wahrheit. Als ich ihn daran erinnerte, betrachtete er nachdenklich seinen Finger. Dann sagte er: »Schließlich bin ich noch am Leben. Ich bin nicht verhungert.«
Ich war zunächst sprachlos, doch schließlich brachte ich heraus: »Was ist mit dem kleinen Eldgrim?«
Martins Gesicht verzog sich zu einem hässlichen Grinsen. »Er lebt noch. Wir haben gemeinsam in seinem Gedächtnis
gekramt, und zusammen mit dem, was Dorschbeißer wusste, hat es halbwegs ausgereicht. Aber als Lambisson nach Sarkel zog, hat er sie beide mitgenommen.«
Bei dem Namen zuckte ich zusammen, und Martins ekelhaftes Grinsen wurde noch breiter. Nicht zum ersten Mal wünschte ich mir, ich hätte ihn
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