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Drachenboot

Drachenboot

Titel: Drachenboot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Low
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Silber geschickt.
    Doch Martin hatte sich nur immer das eine gewünscht – die heilige Lanze, von der er schwor, dass mit ihr die Römer seinem Christus in die Seite gestochen hatten, und aus deren eiserner Spitze zwei Schwerter für Attila geschmiedet worden waren. Sie waren zusammen mit ihm begraben worden – und eins davon hatte ich aus dem Grabhügel mitgebracht.
    Ich saß da und hörte zu, wie die anderen erzählten, und wusste bereits, dass mir ein erneutes Treffen mit Martin nicht erspart bleiben würde. Ich hatte keine Verwendung für seine Reliquie und hatte sie lediglich dem Mann abgenommen, der sie gestohlen hatte. Aber meine Pflegemutter Halldis hatte mir eingebläut, dass man nie etwas wegwerfen soll, was man vielleicht noch einmal gebrauchen kann.
    »Weißt du, wo Martin ist?«, unterbrach ich das Gespräch. Jon Asanes nickte.
    »Wo trifft man sich am besten mit ihm?«, fragte ich. Das erste Treffen sollte besser an einem öffentlichen Ort sein, denn Martin war ein Mann, den man nicht gut ertragen konnte, er brachte es irgendwie immer fertig, dass ich schnell wütend wurde. Ich hätte ihn einmal fast umgebracht und hatte mir danach schon so manches Mal gewünscht, dass ich es getan hätte.
    Jon nickte, er wusste das. »Bei Peruns Statue«, sagte er. »Die steht auf dem Marktplatz, und jeder kennt sie.«
    Ich kannte sie gut – man konnte die große Eichensäule auf dem Sockel aus übereinandergelegten Holzscheiben nicht übersehen, hoch oben drauf stand ein geschnitzter Krieger mit einer Axt, der Kopf war aus Silber, der Schnurrbart aus Gold. Perun, der slawische Donnergott, der gewisserweise Thors Bruder war. Ich nickte.
    Wir erzählten, was wir bisher erlebt hatten, und Jon nahm es auf, ohne die Miene zu verziehen, er nickte nur schweigend. Schließlich seufzte er, stopfte sich Brot in den Mund und stand auf.
    »Dann fangen wir am besten mit Martin an«, sagte er sachlich, schnappte sich seinen warmen Umhang und eilte hinaus.
    »Der Kerl hat es immer schrecklich eilig«, sagte Soroka missbilligend.
    »Das legt sich schon noch, wenn er erst so alt ist wie wir«, sagte Kvasir. »Das ist die Weisheit des alten Bullen.«
    Wir lachten, aber Thorgunna runzelte die Stirn. Soroko war zu sehr Slawe, um diese Geschichte zu kennen, und Finn erzählte sie mit Wonne, weil sich Thorgunna darüber immer schrecklich empörte.
    »Nicht rennen und nur eine Färse bumsen«, schloss Finn in der Rolle des alten Bullen, der seinem übereifrigen Sohn diesen Rat gibt. »Sondern schön langsam und alle bumsen.«
    Mit Lachen und lautem Palaver verging der restliche Vormittag in Sorokas warmer Isba, bis Jon Asanes zurückkam und nur ein Wort sagte: »Nones.«
    Ich erklärte den anderen, dass das Lateinisch war und eine der Bezeichnungen, mit der die Christenpriester aus dem Westen den Tag einteilten – der Spätnachmittag, wenn es dunkel wurde.
    »Dann werden wir noch vorsichtiger sein müssen«, sagte Finn, »falls er ein paar Dumme gefunden hat, die versuchen
könnten, sich das, was er haben will, mit Gewalt zu nehmen.«
    Das hielt ich für unwahrscheinlich, denn er rechnete bestimmt nicht damit, dass ich die heilige Lanze mit mir herumschleppen würde. Es war besser, wenn Finn mit Kvasir und Thorgunna einkaufen ginge, um Olaf ein paar anständige Kleider zu besorgen.
    »Aber vielleicht brauchst du jemanden, der dir hilft, Martin aufzuhängen«, brummte Finn mürrisch, »falls du ihm mit dem Messer der Wahrheit seine Nachricht entlocken willst.«
    Ich schüttelte den Kopf, doch in meiner Erinnerung stand mir das Bild wieder deutlich vor Augen – Martin, der verkehrt herum, wie eine zusammengebundene Gans, am Mast von Einars Fjord Elk hängt und Rotz und Wasser heult, während Einar ihm den kleinen Finger abschneidet und ungerührt über Bord wirft. Mit dem Messer der Wahrheit, von dem er seinen Opfern erzählte, dass es immer wisse, wenn jemand lügt, und das bei jeder Lüge ein Stück Finger abschneidet. Jetzt steckte es sicher hinten in meinem Gürtel, und auch ich hatte es schon ein- oder zweimal gebraucht. Die meisten geben ihre Geheimnisse spätestens nach dem zweiten Finger preis.
    Finn zuckte über meine Unvorsichtigkeit die Schultern und folgte Thorgunna, Kvasir und Olaf. Ich blieb mit Jon Asanes hinter den anderen zurück, der den Kopf schüttelte.
    »Ich habe Finn ein paar Jahre nicht mehr gesehen«, sagte er. »Er kommt mir jetzt noch wilder vor als früher.«
    »Es ist richtig«, entgegnete ich, »du hast

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