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Drachenboot

Drachenboot

Titel: Drachenboot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Low
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nassen Federn des weißen Raben taumelten kalt und
schwerelos auf mein zum Himmel gewandtes Gesicht und legten sich auf meine Wimpern. Vielleicht hatte Krähenbein ja doch recht, und dies war der Fimbulwinter, der große Frost, der das Ende der Welt einläutete.
    Als der Tag gekommen war, hatte der weiße Rabe aber gerade wieder seinen Kopf unter den Flügel gesteckt und schlief, sodass der Himmel blau war und die Sonne schien, als wir Nowgorod verließen und aufs Wolfsmeer hinauszogen.

Die Eingeschworenen standen in Reih und Glied da, wie die Männer der Druschina des Prinzen, die sie mit leichtem Spott imitierten. Sie, die tüchtigen Männer der Wik, waren entschlossen, alles, was diese mürrischen Nowgoroder zustande brachten, noch besser zu machen. Wladimir kam angeritten, um seine Männer zu inspizieren, glänzend in lauter Gold und Silber, mit einem kleinen Säbel hockte er wie ein Zwerg auf seinem viel zu großen schwarzen Pferd – und also musste auch ich mich fein machen und mit dem lästigen Schwert an der Seite meine Eingeschworenen inspizieren. Die Bewohner Nowgorods jubelten, die Karren ächzten, und die Pferde und Ponys stampften vor Kälte und ließen große Haufen dampfender Pferdeäpfel auf die frisch gefegten hölzernen Gehsteige fallen. In diesem Moment hatte ich mehr denn je das stolze Gefühl, ein Jarl zu sein.
    Die Eingeschworenen sahen nicht übel aus, wenn man bedachte, dass sie den größten Teil des Geldes aus dem Überfall auf Klerkons Lager versoffen und jede Hure, derer sie habhaft werden konnten, bis zum Umfallen gebumst hatten. Einige von ihnen hatten allerdings auch ihr Geld für anständige warme Kleidung ausgegeben, was ihnen in der kalten Steppe von Nutzen wäre. Zum Beispiel Kvasir, der einen neuen Mantel trug, gesteppt und dick mit Baumwolle gepolstert. Wir nannten diese Art von Kleidung Aketon, denn so klang es, wenn ein Nordmann versuchte, das serkländische al-qutn auszusprechen.
    Wir wussten um die Vorteile gesteppter Kleidung unter dem Kettenhemd, hatten aber meist drei Wolltuniken übereinander für ausreichend gehalten, bis wir die Soldaten der Großen Stadt kennenlernten, die diese türkischen Kleidungsstücke trugen. Nicht nur boten sie einen besseren Schutz vor Pfeilen, sondern sie federten auch einen harten Aufprall ab, der einem die Rippen brechen konnte. Natürlich waren sie bei diesem Wetter auch angenehm warm.
    Andererseits war da der schöne Lambi, der eitle Pfau, kaum alt genug, um sich ein dünnes Bärtchen sprießen zu lassen, der jetzt in seiner neuen weiten, rot-weiß gestreiften Hose bibberte, dazu trug er einen ziemlich albernen Hut mit Fransen aus langem Ziegenhaar. Doch das sah noch längst nicht so albern aus wie das, was Finn auf dem Kopf hatte, nämlich Ivars Wetterhut, über den er einen Streifen aus Vadmaltuch gebunden hatte – aber immerhin würde ihm diese Kopfbedeckung die Ohren warm halten.
    Sie grinsten mich an und stampften mit den Füßen, wobei sie Dampfwölkchen vor dem Gesicht hatten und die Hände in den Umhängen verbargen, um sie warm zu halten: Klepp Spaki, Onund Hnufa, Finnlaith, der Ire, Bjaelfi  – den wir Laeknir, den Heiler, nannten, denn auf diesem Gebiet hatte er einige Kenntnis – Gyrth, in warme Pelze gehüllt, die ihn aussehen ließen wie einen Tanzbären, und all die anderen. Fast alle grinsten vor Tatendrang, bis auf Jon Asanes, der keine Miene verzog und mich nur ausdruckslos ansah.
    Ich sah Gisur und den roten Njal, Hauk Schnellsegler winkte mir zu, und ich nickte zurück. Hinter ihnen waren Thorgunna und Thordis, die so dick eingepackt waren, dass man sie von den Bündeln auf den Wagen kaum unterscheiden konnte, und nur den Hirschhunden schien
die Kälte nichts auszumachen an diesem Tag, an dem der Himmel zwar blau war, die Sonne jedoch keine Wärme spendete.
    Eigentlich hätte ich ihnen am liebsten gesagt, dass wir im Begriff seien, eine große Dummheit zu begehen, weil schon so viele bei diesem Abenteuer umgekommen waren, aber ich wusste, das hatten sie alles schon von denen gehört, die es beim ersten Mal überlebt hatten. Es war zu spät; der silberne Haken steckte tief in ihrem Fleisch, und Odin zog an der Angelschnur. Knochen, Blut und Stahl – der Schwur, der uns alle in die eisige Steppe führen würde.
    Also zogen wir zum Tor hinaus, ein langer, gewundener Zug aus Schlitten und Pferden, Männern und Knaben, Sklaven und Frauen und einem unfreiwillig mitgeschleppten Christenpriester.
    Die beiden jungen

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