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Drachenboot

Drachenboot

Titel: Drachenboot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Low
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über Sarkel kämen, dem Ausgangspunkt, von dem aus ich mich orientieren musste.
    Natürlich merkten sie es, Wladimir und sein mächtiger Onkel Dobrynja. Ich sah verächtlich das Pergament an, und sie wechselten Blicke und verstanden.
    »Ich kann euch hinführen«, sagte ich und hoffte, dass man im trüben Licht ihres privaten Gemachs die Schweißperlen
auf meiner Stirn nicht sah. »Aber auf dieser Karte gibt es ja keinerlei sonstige Anhaltspunkte.«
    Stille, in der ich im Geiste schon hörte, wie man den Pfahl für mich einfettete. Ohne Umstände rollte Dobrynja die Karte wieder zusammen und sagte: »Natürlich wirst du uns hinführen.«
    Jetzt war ich mir nicht mehr so sicher. Im Winter war die Steppe eine ebenso leere grauweiße Fläche wie Wladimirs Pergament, und mich fröstelte bei dem Gedanken, wie viel Hoffnung und wie viele Menschenleben jetzt von den wenigen Runen abhingen, die in meinen Schwertgriff eingeritzt waren.
    Offiziell stand es den Eingeschworenen frei, zu kommen und zu gehen, wie sie wollten – doch jetzt waren sie alle in Wladimirs Halle versammelt, sogar Martin, der Mönch. Dobrynja hatte darauf bestanden: Jeder, der etwas über die Sache wusste, musste dableiben, wo man ihn im Auge behalten konnte. Martin zappelte wie ein Fisch im Netz.
    Gleich am nächsten Morgen kam er eilig angeschlurft. Olaf schnippte mit den Fingern, um seinem teilnahmslosen Elchhund eine Reaktion zu entlocken. Der Hund stand auf und ging hinaus, Olaf folgte ihm.
    »Wer von diesen beiden jungen Hunden führt jetzt wen spazieren?«, überlegte Finnlaith, und die anderen lachten. Sie lachten aber nur, wenn Olaf außer Hörweite war, denn sie alle hatten aufrichtigen Respekt vor diesem Neunjährigen.
    »Da wir gerade von Hunden sprechen«, brummte Hauk Schnellsegler und deutete mit dem Kopf auf den Mönch. Ich seufzte, der Hirschhund japste ebenfalls resigniert. Wir wollten beide nichts mit ihm zu tun haben.
    »Du musst mit dem Prinzen sprechen«, erklärte Martin,
und seine Augen funkelten wild aus dem wirren Haar und dem verfilzten Bart. »Ich mache diese idiotische Irrfahrt auf keinen Fall mit.«
    »So, muss ich das?«
    »Ich komme nicht mit.«
    Ich beugte mich etwas vor und dachte – wieder einmal –, dass ich ihn damals hätte umbringen sollen.
    »Wladimir hat es aber beschlossen. Ich möchte auch nicht gehen, aber ich muss«, entgegnete ich müde. »Wenn ich aus der Sache nicht herauskann, warum sollte ich ihn dann überreden können, dich hier zu lassen?«
    »Christus wird es richten«, psalmodierte Finn, womit er die Christenpriester nachäffte. Martin bedachte ihn mit einem wütenden Blick, dann verschränkte er die Arme und hob entschlossen das Kinn.
    »Ich komme nicht mit.«
    »Dann bleib halt hier und setze dich auf einen angespitzten Pfahl«, sagte Kvasir schulterzuckend und sah von seiner Lederarbeit auf. »Wenn du denkst, wir würden dir nachtrauern, dann irrst du dich.«
    »Das Ganze hat mit mir nichts zu tun«, beharrte Martin mit Schaum in den Mundwinkeln. »Mir liegt nichts an diesem Silber.«
    »Gut«, brummte Finn unwirsch, »dann nehmen wir auch deinen Anteil gern. Das heißt, wenn überhaupt jemand von uns etwas abbekommt.«
    Er sah mich vielsagend an, aber zu meiner Überraschung war es Martin, der ihm den Wind aus den Segeln nahm.
    »Was willst du denn überhaupt mit diesem Silber?«, fragte er.
    Finn sah ihn an, als verstünde er nicht. Er erwiderte, das sei eine ziemlich blöde Frage, dann fügte er hinzu: »Ein Silberschatz? Warum würde man den nicht wollen?«
    »Weil man dafür viel kaufen kann?«, wollte Martin wissen. »Das teuerste Essen, die besten Getränke und die schönsten Frauen? Und wenn du das alles hast – was dann, Finn Rosskopf?«
    »Ein herrliches Schwert«, kam Lambis sehnsüchtige Stimme. »Und einen Umhang aus schönen Pelzen.«
    »Schiffe«, schlug Jon Asanes begeistert vor.
    Martin nickte, aber Finns Gesicht blieb mürrisch.
    »Und irgendwann hat man das alles und noch mehr«, sagte der Mönch. »Und dann? Immer noch mehr, bis du kotzen musst und dein Schwanz abfällt? Sag mal, Finn, wozu ist ein herrliches Schwert denn noch gut, wenn man es nicht mehr für Raubzüge braucht? Warum sollte man aber auf Raubzug gehen, wenn man bereits mehr besitzt, als man braucht?«
    »Ha«, sagte der rote Njal und machte eine wegwerfende Geste. »Was verstehst du Christenpriester schon von solchen Dingen? Du bist doch auch hinter Kostbarkeiten her – nur ist dein Schatz eben dieser

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