Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Drachenboot

Drachenboot

Titel: Drachenboot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Low
Vom Netzwerk:
bei uns blieb, im Weißen Meer der Wintersteppe. Außerdem würde er natürlich der Lanze folgen und ihr nachlaufen wie ein Rüde einer läufigen Hündin.
    »Und überhaupt«, sagte Gyrth, der zum Topf geschlendert war und hoffnungsvoll hineinsah, um sich dann beim Feuer niederzulassen, »für dich könnte es noch schlimmer kommen, Mönch, denn die Anhänger des weißen Christus werden hier nicht gepfählt, sondern …«
    Alle sahen ihn überrascht an, was ihm sichtlich unangenehm war.
    »Na ja, ich habe es von einem jüdischen Händler gehört«, erklärte er. »Verurteilte Christusanhänger werden verkehrt herum aufgehängt. Wie ihr Gott an diesem Baum, bloß andersherum.«
    Martins Auge zuckte, denn für einen Christen war es offenbar eine schreckliche Vorstellung, so kopfunter aufgehängt zu werden – gekreuzigt, wie sie es nannten. Es war ein schrecklicher, langsamer Tod.
    »Unser kleiner Christenpriester ist das ja gewohnt«, höhnte Finn. »Er hat schon einmal verkehrt herum gehangen.«
    Diejenigen, die sich daran erinnerten, wie wir Martin kennengelernt hatten, kicherten. Er hatte am Mast gehangen,
und Tränen und Pisse waren auf die Schiffsplanken getropft.
    »Klar, dem macht ein Kopfstand nichts mehr aus«, pflichtete Kvasir bei, und das Gejohle und Schenkelklopfen klang hinter Martin her, der mit wehender Kutte aus der Halle floh.
    »Er wird sich aus dem Staub machen«, sagte Kvasir und betrachtete kritisch seinen Lederriemen.
    »Nicht ohne die Lanze«, erklärte Finn.
    Sie schlossen Wetten ab. Aber ich wusste, er würde erst fliehen, wenn er den Schaft der Lanze in Händen hatte und irgendwohin fliehen konnte, wo er in Sicherheit war; und da draußen in der eiskalten Steppe war er nur sicher, solange er mit uns zusammen war.
    Finn und die anderen steckten die Köpfe zusammen und sprachen leise darüber, wie wir, wenn es so weit war, mit Wladimirs Druschina würden kämpfen müssen, um uns den Silberschatz zu sichern. Ich ließ sie reden. Zwar war es genauso unsinnig, wie zu versuchen, ein Seil um den Mond zu schlingen, aber auf diese Weise blieben sie wenigstens einigermaßen bei Laune. Dennoch – wenn es erst so weit war, würde ich tatsächlich mit einem guten Plan aufwarten müssen, wenn ich keinen Aufstand riskieren wollte.
    Später saß ich mit Jon Asanes zusammen und diktierte ihm einen sorgfältig formulierten Brief an Jarl Brand, den Jon mit seiner schönsten Schrift niederschrieb. Ich sah aus dem Fenster auf das Treiben im Hof.
    »Das ist doch auch komisch«, sagte Jon und sah zu, wie ich meinen Fußknöchel, der mir bei kaltem Wetter immer wehtat, mit einer von Thorgunnas Salben einrieb. »Der alte Sveinald ist doch nicht dumm, und diese Vorbereitungen sind ihm sicher nicht entgangen. Trotzdem reitet er davon, ohne einen Blick auf all diese Wagen, die hier beladen werden,
zu werfen. Sollte die Demütigung seines Jungen ihn wirklich so tief getroffen haben, dass es ihn gar nicht zu interessieren scheint, was wir hier machen?«
    »In erster Linie wird sich sein Sohn gedemütigt fühlen«, sagte ich, »und das wird auch noch eine ganze Weile vorhalten.«
    »Also ein weiteres Risiko für uns, und davon haben wir wahrhaftig schon genug«, erwiderte Jon, und seine Stimme klang so verbittert, dass ich ihn ansah. Aber er hatte sich schon wieder über den Tisch gebeugt und hinter seiner Haarmähne versteckt, die Zunge zwischen den Zähnen, kratzte er sorgfältig seine Zeichen aufs Pergament.
    Jon war klug, auch wenn er schnell beleidigt war. Unser erneuter Versuch, an Attilas Silber zu kommen, war inzwischen ein offenes Geheimnis; die Gerüchteküche brodelte, und jeden Tag erschienen weitere Männer, die sich entweder Wladimirs Druschina oder den Eingeschworenen anschließen wollten.
    Und trotz seiner vorgetäuschten Teilnahmslosigkeit wusste natürlich auch Sveinald davon. Das bedeutete, dass auch Jaropolk informiert war, den ich zuletzt als pickeligen Jüngling gesehen hatte. Und ebenso würde Oleg davon wissen, Wladimirs zweiter Bruder. Selbst wenn man davon ausging, dass es Steine gab, die über mehr Intelligenz verfügten  – die Wichtigkeit der Expedition würde auch ihm bald klar sein, auch wenn ihn erst jemand mit der Nase darauf stoßen müsste.
    Es war, als hätte Odin – der selbst ein Wälsung war – diesen Silberschatz so lange erhitzt, geschmiedet und geformt, bis er zu einem riesigen Fluch geworden war, der immer mehr Menschen in seinen Bann zog. Doch mit welchem Ziel?
    Die

Weitere Kostenlose Bücher