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Drachenboot

Drachenboot

Titel: Drachenboot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Low
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Brauen hoch, sein Gesicht war freundlich. Oh, er hätte gut in die Halle der Hinterlist von Miklagard gepasst und die Leute dort das Fürchten gelehrt.
    »Orm«, stellte ich mich so verbindlich wie möglich vor, denn es schadet nichts, zumindest am Anfang höflich zu sein.
    »Ein Nordmann«, sagte Kowatsch und rieb seinen Stoppelbart. »Ich verstehe ein bisschen eure Sprache. Dein Name bedeutet … Schlange?«
    »Wurm«, sagte ich leichthin, dann beugte ich mich vor zu ihm. »Es wäre besser, du würdest sprechen, Alter. Denn wir sind hungrig wie Schlangen, und du weißt ja, wie hungrige Schlangen sind.«
    Er nickte, dann lächelte er ein zahnloses Lächeln.
    »Worum wir gebeten haben …«, sagte er, und ich erinnerte mich an meine Frage und nickte. Dobrynja räusperte sich vielsagend, aber wir ignorierten ihn.
    »Wodjanoi«, sagte er, und Dobrynja und Sigurd hielten erschrocken die Luft an. Der kleine Wladimir wurde blass. Ich hatte keine Ahnung, wovon er redete.
    »Diese Geschöpfe«, murmelte Dobrynja. »Sie ernähren sich von den Seelen der Ertrunkenen.«
    »Ammenmärchen«, sagte Sigurd, aber es klang keineswegs überzeugt.
    »Sie leben auf der Anhöhe, in den Sümpfen«, fuhr Kowatsch mit leiser, eintöniger Stimme fort, die bitter klang. »Hier im Dorf gibt es achtundvierzig Familien, und alle sind betroffen.«
    »Wovon betroffen?«, wollte Dobrynja wissen.
    »Sie kommen, diese Wodjanoi-Geister, und entführen unsere Frauen und verwandeln sie in russalki. Seit langer Zeit schon, ein- bis zweimal im Jahr. Dieses Jahr im Herbst haben sie wieder jemanden geholt. Meine Enkelin.«
    Er verstummte, und trotz der Wärme in der gut geheizten Hütte fröstelte ich.
    »Und ihr habt anscheinend nichts dagegen getan«, sagte Wladimir. Kowatsch sah ihn an und hob die Augenbrauen.
    »Erst haben wir Männer zu den Sümpfen geschickt«, sagte er. »Sechs sind beim ersten Mal umgekommen, dann schickten wir wieder welche und verloren vier weitere, alles gute Waffenschmiede. Wir haben keine weiteren geschickt, denn wir brauchen die Männer, um Klingen zu schmieden und die Felder zu bestellen. Wir können gegen fast alles kämpfen, aber dagegen nicht. Also haben wir unsere Verteidigung verstärkt, außerdem bitten wir jedes Jahr Kiew um Hilfe, aber es kommt keine.«
    »Eure Verteidigung kann nicht sehr gut sein, Alter, wenn sie euch weiterhin bestehlen«, sagte ich.
    »Zauber vermutlich«, sagte Kowatsch sachlich, aber seine Augen waren listig zusammengekniffen. »Sie kommen nachts aus dem Marschland. Einmal habe ich so ein Geschöpf gesehen – schuppig wie eine Schlange, es rannte im Mondschein durch die Straßen und gab keinen Laut von sich. Jetzt seid ihr hier. Vielleicht hat Perun uns ja einen Krieger namens Wyrm geschickt, um diese Geschuppten
zu erledigen, die ganz bestimmt aus Schlangeneiern ausgebrütet werden. Der Gott hat schließlich diese Kälte geschickt, damit das unzugängliche Marschland gefriert; ich kann mich nicht erinnern, dass das jemals vorher passiert ist.«
    Am Gesichtsausdruck derer, die Kowatsch kannten, sah ich, dass er wahrscheinlich noch nie eine so lange Rede gehalten hatte, folglich trat jetzt erst mal Stille ein, die nur unterbrochen wurde vom Knall eines berstenden Holzklotzes im Feuer.
    »Wenn wir also diese Bedrohung für euch beseitigen, dann teilt ihr eure versteckten Vorräte mit uns, verstehe ich dich richtig, du alter Schlaukopf?«, brummte Sigurd schließlich. Er quittierte Kowatschs zustimmendes Nicken mit einem verächtlichen Schnauben.
    »Wenn wir dich an deinen mageren Daumen aufhängen, wirst du es uns auch so ganz schnell verraten«, sagte er.
    »Wir müssen auch nicht dich nehmen«, fügte Dobrynja sogleich an. »Ich könnte zum Beispiel mit der Mutter deiner Enkelin anfangen.«
    Kowatsch zuckte unwillkürlich zusammen und senkte den Kopf; denn schließlich war er nichts weiter als ein bedauernswerter alter Mann, der keine Macht hatte über das Schicksal, das über ihn hereingebrochen war. Doch hatte er in seinem Leben schon so viele Stürme ausgestanden, dass er ein dickes Fell bekommen hatte. Ich war mir sicher, dass er weniger ängstlich war als Finn.
    Dennoch sahen Dobrynja und ich uns an. Das Privileg, Gewalt gegen diese armen Bauern und Schmiede anzuwenden, überließen wir gern Wladimirs Bruder; ein offener Angriff dieser Dorfbewohner könnte nämlich genau den Konflikt heraufbeschwören, den Nowgorod vermeiden wollte.
    »Ein kleiner Erkundungsgang über die gefrorene

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