Drachenbraut
Fußraum der Beifahrerseite hüpfen und glitt auf den Beifahrersitz. Sie ließ den Schüssel in die Mittelkonsole gleiten und drückte zielsicher auf den Startknopf im Armaturenbrett. Dann drehte sie sich zu ihm herum, eine Augenbraue drohend in die Höhe gezogen.
«Ich arbeite hauptberuflich mit fremden Herzen und sehr scharfen Gegenständen, und ja, ich kann auch Auto fahren.»
Sie lenkte den schweren Wagen souverän über die nach oben führende Spindel aus der Tiefgarage und bog in die um diese Uhrzeit noch leeren Straßen von Hamburg ein.
«Erzähl mir von diesem Ritual.»
«Von welchem?»
Er lehnte den Kopf fest gegen das Sitzpolster. Ihm war plötzlich schwindelig.
«Von dem Ritual, wo sich der gesamte Rat trifft. Über das andere sprechen wir … später.»
Er drehte den Kopf und öffnete die Augen wieder. Eine Spur von Unsicherheit hatte ihre Züge verdunkelt, war aber sofort wieder verschwunden. Ganz entfernt meinte er einen Hauch Verwirrung wahrzunehmen. Ein Gefühl, das dem seinen durchaus ähnlich war. Das Schwindelgefühl war plötzlich wieder da.
«Bei jedem Ritual wird sehr viel magische Energie freigesetzt. Dieses Ritual ist allerdings elementarer, weil direkt in die atmosphärische Hülle eingegriffen wird, die unsere Welt von den anderen Welten trennt. Es bedarf eine massive Form magischer Energie, um den Riss wieder zu schließen. Und wie jedes andere Ritual auch wird durch die freigesetzte Energie der Riss erstmal vergrößert. Ich werde die Alben daran hindern, während dieser Zeit in unsere Welt zu gelangen.»
Sie schwieg einen Moment. Er hörte ihre Atemzüge in der Stille des Wagens überdeutlich.
«Valentin?»
Er drehte leicht den Kopf und blickte in ihre grüne Iris. Sie hatte ihm den Kopf zugewandt.
«Wenn du mir nicht sagst, was mit dir los ist, kann ich dir nicht helfen.»
Glaubte sie etwa wirklich, ihm helfen zu können? Er trug die Verantwortung. Auch für sie. Es konnte nicht andersherum sein. Dieser Gedanke riss ihn zurück in die Realität. Er griff nach seinem Smartphone und suchte mit steifen Fingern Duponts Nummer im Telefonbuch. Nach einem Klingeln drang die atemlose Stimme des Ratsvorsitzenden an sein Ohr. «Sire?»
Der Schmerz nahm aus unerfindlichen Gründen schlagartig zu. Für den Bruchteil einer Sekunde hielt er inne, damit er sich nicht in seine Stimme schlich.
«Hol Clemens als Alpha dazu.»
Armand Dupont atmete einmal hörbar ein. «Bei allem Respekt, ich halte das für keine gute Idee.»
Valentin kontrollierte seine Stimme ganz bewusst. «Aber ich.»
Sie würden nach dem Tod der beiden Ratsmitglieder jeden brauchen, der auch nur über einen Hauch von Magie und Macht verfügte. Es war sonderbar, dass Dupont noch nicht selbst auf den Gedanken gekommen war. Allerdings hielt er Wandler in jeglicher Spielart für eine Abart der Natur und somit nicht würdig, sich einem Ritual dieser Größenordnung anzuschließen. Ihm zollte er zwangsläufig Respekt, weil seine Macht über die eines Alphas weit hinausging. Er zollte ihm Respekt, weil Dupont schlicht und ergreifend Angst vor ihm hatte.
Dupont räusperte sich geräuschvoll. «Ich werde mich darum kümmern.»
Der Magier war klug genug, seine ablehnende Haltung dieser Entscheidung gegenüber für sich zu behalten. Ungeschickt drückte Valentin auf die plötzlich viel zu kleine Taste, um das Gespräch zu beenden.
Das Telefonat hatte ihn erschöpft. Müde legte er einen Arm über die Augen, um die Welt und auch Josefines steten Seiten blick auszublenden. Er musste den unvermeidlich entstehenden Riss in der Atmosphäre kontrollieren. Wenn er nicht in der Lage war, diese Schwäche abzuschütteln, war alles verloren.
Für einen Atemzug lang war die selbst geschaffene Dunkelheit wohltuend, doch dann begann sein Hirn seltsame Botschaften an seinen Körper zu schicken. Ein heftiger, wellenartiger Schmerz war die Antwort darauf.
«Ich habe Schmerzen.»
Und es kostete ihn viel, das zu sagen.
«Warum?»
Sie trieb den Wagen über die scharfe Kurve der Auffahrt auf die Autobahn und wechselte dort direkt auf die linke Spur. Die Schmerzen bohrten sich jetzt auch in seinen Kopf. Langsam ging ihm die Luft aus.
«Vor mir brauchst du dich nicht verstellen. Ich spüre deine Erschöpfung als wäre es meine eigene.»
Wieder flog ein Blick von ihr zu ihm, der ihn sogar für einen kurzen Moment den Schmerz vergessen ließ. In ihren Augen glitzerten Funken, die er nicht recht deuten konnte.
«Verdammt noch mal, ich kann
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