Drachenelfen
kehrten sie dem Mittelreich den Rücken und siedelten
sich im Hohen Reich an, in den verlassenen Städten der Sartan, wo sie ein
ruhiges Leben nach ihren Vorstellungen zu führen hofften.
Ihr Weggang war ein größeres Unglück, als die
Menschen in ihrer Blindheit erst geglaubt hatten. Die Tribuselfen, nachdem es
ihnen gelungen war, die Clans zur Einigung zu zwingen, richteten ihr Augenmerk
auf die Freibeuter, die seit geraumer Zeit den Himmel unsicher machten, die
Wasserkoggen der Elfen attackierten und plünderten.
Nach und nach fielen zahlreiche Fürstentümer auf
Volkaran in die Hand der Elfen, die Bestechung und List ebenso zu handhaben
wußten wie das Schwert, nach dem Motto: Teile und herrsche. Die Menschen sahen,
wie man ihre Söhne und Töchter in die Sklaverei führte; wie der Löwenanteil
ihrer Lebensmittel auf die reichgedeckte Tafel der Elfen wanderte; wie
Elfenfürsten die Drachenjagd als Sport betrieben. Schließlich kamen die
Menschen zu dem Schluß, daß sie die Elfen mehr haßten als sich untereinander.
Die beiden mächtigsten Sippen gingen mit gutem
Beispiel voran, nahmen insgeheime Verhandlungen auf und bildeten eine Allianz,
besiegelt durch die Heirat Stephens von Volkaran mit Anne von Ulyndia. Die Menschen
begannen, die Besatzer in einer Reihe kleiner Gefechte zurückzudrängen,
kulminierend in der berühmten Schlacht der Sieben Felder; berühmt deswegen,
weil der Unterlegene schließlich doch den Sieg davontrug. 47
Die im Anschluß daran ausbrechende Rebellion,
angeführt von Prinz Rees’ahn, erzwang den völligen Rückzug der
Besatzungstruppen.
Afreds Essay endet in einem traurigen Ton:
Ulyndia und Volkaran befinden sich wieder in der
Hand der Menschen.
Aber nun, da keine Bedrohung von außen mehr vorhanden
ist, kommen die alten Animositäten wieder an die Oberfläche, und die Menschen
scheinen zu glauben, daß sie eigentlich beruhigt da weitermachen könnten, wo
sie aufgehört haben. Verfeindete Sippen schreien Krieg und wollen sich
gegenseitig an die Kehle. Mächtige Barone auf beiden Seiten murren, die
Allianz von Stephen und Anne hätte ihren Nutzen überlebt. Der König und die
Königin sehen sich plötzlich zu einer riskanten Farce gezwungen.
Die beiden sind einander in Wirklichkeit von Herzen
zugetan. Eine Zweckheirat, gepflanzt in den Boden generationenalten Hasses,
ist zu wechselseitiger Liebe und Achtung erblüht. Aber der König und die
Königin wissen, daß man die Blume gewaltsam ausreißen wird, falls sie nicht
einen Weg finden, ihre jeweilige Anhängerschaft unter Kontrolle zu halten.
Deshalb gibt jeder vor zu hassen, was er am
meisten liebt – den anderen. Während sie in der Öffentlichkeit bittere
Wortgefechte austragen, sind sie privat ein Herz und eine Seele. Im Glauben,
die Ehe und damit auch die Allianz stünde vor dem Zusammenbruch, haben die
Angehörigen der gegnerischen Parteien keine Bedenken, dem König, respektive
der Königin, ihre Intrigen zu offenbaren, ohne zu ahnen, daß sie sich damit
selbst eine Grube graben. Auf diese Weise ist es Stephen und Anne bisher
gelungen, die Feuerbrände zu entdecken und zu löschen, die ihr Königreich
hätten vernichten können.
Aber nun ist ein neues Problem aufgetaucht:
Gram. Und wie das zu lösen ist, übersteigt mein Vorstellungsvermögen. Ich habe
Angst um die Nichtigen. Angst um sie alle.
Das Problem hat sich von selbst gelöst 48 . Gram war verschwunden, angeblich
entführt in ein unbekanntes Reich, von einem Mann mit blauer Haut – wenigstens
lautete so der verworrene Bericht, den König Stephen von Grams leiblicher
Mutter erhielt, Iridal vom Hohen Reich.
Je weiter weg man Gram brachte, desto besser,
war Stephens Ansicht in dieser Sache. Ein Jahr war seither vergangen, und mit
dem Verschwinden des Jungen schien sich ein Fluch von dem ganzen Königreich
gehoben zu haben.
Königin Anne wurde erneut schwanger und brachte
ein gesundes Mädchen zur Welt. Die Kleine war Kronprinzessin von Ulyndia, und
obwohl das Erbrecht von Volkaran eine weibliche Thronfolge nicht vorsah, ließen
Gesetze sich ändern, besonders wenn Stephen keinen Sohn mehr zeugte. Magier des
Dritten Hauses wurden an den Hof berufen, um Tag und Nacht Wache zu halten und
zu garantieren, daß diesmal kein verhextes Wechselbalg in der Wiege
auftauchte.
Des weiteren schwächte in diesem wichtigen Jahr
der Aufstand der Gegs im Niederreich die Kampfkraft der Elfen, dezimierte ihre
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