Drachenelfen
Früchte.
Hugh warf einen Blick darauf und schüttelte den
Kopf. »Was ihr Elfen essen nennt, hat mit einer vernünftigen Mahlzeit nichts zu
tun.« In Wirklichkeit war ihm dermaßen flau im Magen, daß er keinen Bissen
hinuntergebracht hätte.
»Gehen wir endlich?« quengelte Gram. Er zerrte
den Hund am Nackenfell vom Boden hoch. Das Tier rappelte sich widerstrebend auf
und schaute trübsinnig drein. »He, sei ein bißchen fröhlicher«, befahl der
Junge und versetzte dem Hund einen spielerischen Klaps auf die Nase.
»Wie geht es deiner Mutter heute morgen?« fragte
Hugh.
»Fein«, antwortete Gram und sah mit einem gewinnenden
Lächeln zu ihm auf. Er hob das Federamulett hoch, das er an einer Lederschnur
um den Hals trug. »Sie schläft.«
»Dasselbe würdest du sagen, mit demselben
falschen Lächeln, wenn sie tot wäre.« Hugh hielt seinen Blick fest. »Aber du
kannst mir nichts vormachen, ich werde es wissen, sollte ihr etwas zustoßen.
Ich werde es wissen, du kleiner Bastard.«
Grams Lächeln gefror, die Mundwinkel zuckten.
Dann schüttelte er die seidigen Locken zurück. »So darfst du mich nicht
nennen«, sagte er schlau. »Du beleidigst meine Mutter.«
»Nein«, antwortete Hugh. »Du bist nicht ihr
Kind. Du bist der Sproß deines Vaters.« Er ging an Gram vorbei aus der Tür.
Auf einen Wink des Grafen umringten drei
schwerbewaffnete Wachen den Assassinen und eskortierten ihn zum Ausgang. Gram
und Tretar folgten ihnen, Seite an Seite.
»Ihr müßt dafür sorgen, Prinz, daß er öffentlich
für das Attentat angeklagt wird und hingerichtet, bevor er plaudern kann«,
sagte Tretar halblaut. »Die Menschen dürfen keinen Verdacht schöpfen, daß wir
Elfen irgend etwas mit der unerquicklichen Sache zu tun gehabt haben.«
»Man wird keinen Verdacht schöpfen«, antwortete
Gram. Zwei hochrote Recken brannten auf seinen blassen Wangen. »Sobald ich
keine Verwendung mehr für ihn habe, lasse ich ihn exekutieren. Und diesmal
sorge ich dafür, daß er tot bleibt. Er kann schlecht wieder zum Leben erwachen,
nachdem man ihn gevierteilt hat, was glaubt Ihr?«
Tretar hatte keine Ahnung, wovon Gram redete,
doch er hielt es auch nicht für wichtig. Er sah auf den jungen Prinzen nieder,
der mit glänzenden Augen und leicht geöffneten rosigen Lippen zu ihm
aufschaute, und beinahe regte sich Mitleid im Herzen des Grafen, für die
Bedauernswerten, denen ein grausames Geschick bestimmte, in Bälde Grams
Untertanen zu sein.
Graf Tretars persönliches Drachenschiff sollte
Hugh und Gram in die Berge tragen, wo ihr Drache wartete.
Im Kaiserlichen Hafen wurde ein zweites Drachenschiff
– ein großer Orlog für die Reise durch den Mahlstrom nach Drevlin – in aller
Eile segelfertig gemacht.
Eine lange Reihe Menschensklaven in Ketten wurde
an Bord getrieben. Matrosen schwärmten über das Deck, prüften die Takelage und
die Segel. Der Kapitän stürzte aus seiner Kajüte und knöpfte hastig die
Uniformjacke zu. Ein Schiffsmagier, der sich noch den Schlaf aus den Augen
rieb, eilte hinterher.
Hugh beobachtete unterdessen das Hin und Her an
Bord des Orlogs; als er sich gelangweilt abwenden wollte, stutzte er und sah
genauer hin.
Eine bekannte Gestalt. Nein, zwei bekannte
Gestalten.
Bei der ersten handelte es sich um Sang-drax.
Die zweite, neben dem Elfen, war ausgerechnet eine Zwergin.
»Jarre«, sagte Hugh und schnippte mit den
Fingern. »Limbecks Freundin. Ich wüßte zu gerne, wie zum Henker sie in die
Sache hineingeraten ist.«
Sein Staunen währte nur kurz, eigentlich hatte
er kein Interesse an der Zwergin. Doch Sang-drax starrte er aus schmalen Augen an
und wünschte sich, die Zeit zu haben, seine Rechnung mit dem Verräter zu begleichen.
Nun ja, es war ihm nicht vergönnt.
Das Schiff des Grafen hob sich in die Lüfte,
empor zu den Berggipfeln. Tretar ging mit dem Assassinen kein Risiko ein. Ein
Elfensoldat stand während des ganzen kurzen Flugs neben ihm und hielt ihm das
Schwert an die Kehle, für den Fall, daß es Hugh einfallen sollte, eine
Verzweiflungstat zu wagen.
Die Elfen hätten sich keine Sorgen zu machen
brauchen. Jeder Fluchtversuch war zum Scheitern verurteilt, brachte Iridal in
Gefahr, und das alles für nichts und wieder nichts. Hugh hatte es
zähneknirschend begriffen, hätte es schon in der Nacht begreifen sollen, als
er im Halbschlaf undurchführbare, tollkühne Pläne schmiedete.
Es gab nur einen Weg, Stephen auf die Gefahr aufmerksam
zu
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