Drachenelfen
Wange.
»Gram, mein Sohn«, rief sie. Haplo log, sie
würde es ihm beweisen. »Kannst du mich hören? Bist du in Sicherheit? Hat man
dir weh getan?«
»Mutter? Nein, mir geht es gut, Mutter.
Wirklich.«
»Hält man dich gefangen? Ich werde dich
befreien. Wie kann ich dich finden?«
»Ich bin kein Gefangener. Mach dir keine Sorgen
meinetwegen, Mutter. Ich bin bei Hugh Mordhand. Wir reiten auf einem Drachen
durch die Luft. Der Hund auch! Erst wollte er nicht, ich glaube, er mag Drachen
nicht besonders. Aber ich liebe sie. Bald werde ich einen haben, der mir ganz
allein gehört.« Eine kurze Pause, dann wieder die kindliche Stimme, aber mit
einem lauernden Unterton: »Aber was meinst du damit, du wirst mich retten,
Mutter? Wo bist du?«
Haplo beobachtete Iridal. Er konnte nicht hören,
was Gram sagte, sie vernahm die Worte ihres Sohnes auf magischem Weg durch das
Federamulett. Aber er brauchte Gram nicht zu hören, um Bescheid zu wissen.
»Sagt ihm nicht, daß Ihr kommt!« raunte er ihr
zu.
Wenn Haplo recht hat, dann habe ich dies alles
zu verantworten, dachte Iridal. Meine Schuld, wieder einmal. Sie machte die
Augen zu, schloß Haplo aus, die mitfühlenden Gesichter der Kenkari. Aber sie
befolgte Haplos Rat, auch wenn sie sich dafür haßte.
»Ich bin – ich bin in einer Gefängniszelle,
Gram. Die Elfen haben mich hier eingesperrt und – und sie geben mir eine
Droge…«
»Mach dir keine Sorgen, Mutter.« Gram hörte sich
wieder ganz vergnügt an. »Sie werden dir nichts tun. Niemand wird dir etwas
tun. Wir werden bald wieder zusammen sein. Ich darf den Hund doch behalten,
nicht wahr, Mutter?«
Iridal ließ das Amulett los und strich glättend
über die Federn. Dann schaute sie in die Runde, nahm ihre Umgebung wahr, sich
selbst in der Gefängniszelle.
Ihre Hand begann zu zittern, Tränen
verschleierten den trotzigen Glanz ihrer Augen.
»Was soll ich tun?« fragte sie leise, ohne Haplo
anzusehen. Sie hielt den Blick auf die Zellentür gerichtet.
»Folgt ihnen. Hindert Hugh daran, das Attentat
zu verüben. Wenn er weiß, daß Ihr frei seid, wird er den König und die Königin
nicht ermorden.«
»Ich werde Hugh und meinen Sohn finden«, sagte
sie mit schwankender Stimme, »aber nur, um Euch Lügen zu strafen! Gram ist
getäuscht worden. Rücksichtslose Männer wie Ihr…«
»Es ist mir gleichgültig, weshalb Ihr geht«,
unterbrach Haplo sie brüsk. »Nur geht. Vielleicht können diese Elfen« – er sah
die Kenkari an – »Euch helfen.«
Iridal maß ihn mit einem haßerfüllten Blick,
dann musterte sie die Kenkari mit gleicher Bitterkeit. »Ihr werdet mir
helfen. Selbstverständlich werdet Ihr mir helfen. Ihr wollt Hughs Seele. Wenn
ich ihn rette, gehört Euch seine Seele!«
»Das liegt bei ihm«, sagte Bruder Seele. »Ja,
wir können Euch helfen. Wir können Euch beiden helfen.«
Haplo schüttelte den Kopf. »Ich brauche keine
Hilfe von…« Er stockte.
»Nichtigen?« beendete der Hüter der Seelen für
ihn den Satz. »Und wie wollt Ihr das Drachenschiff erreichen, das die Zwergin
ins Verderben führt? Kann Eure Magie Euch das Mittel dazu beschaffen?«
Haplo sah ihn finster an. »Und Eure?« entgegnete
er.
»Ich glaube schon. Aber erst müssen wir in die
Kathedrale zurückkehren. Bruder Pforte, geh voran.«
Haplo zögerte. »Was ist mit den Wachen?«
»Sie werden uns nicht aufhalten. Wir haben ihre
Seelen in Gewahrsam. Kommt mit uns. Schätzt uns nicht gar zu gering ein. Ihr
müßt Euch wenigstens die Zeit nehmen, Euch zu heilen. Wenn Ihr dann immer noch
alleine ausziehen wollt, seid Ihr stark genug, Euren Feinden entgegenzutreten.«
»Also gut!« fauchte Haplo. »Ich komme mit. Spart
Eure Worte.«
Sie betraten einen finsteren Stollen, erleuchtet
nur vom Schimmer der seltsamen Gewänder der Kenkari. Iridal schenkte ihrer
Umgebung wenig Aufmerksamkeit, ließ sich widerstandslos führen, ohne darauf zu
achten, wohin. Sie wollte Haplo nicht glauben, wollte ihm nicht glauben. Es
mußte eine andere Erklärung geben.
Es mußte eine andere Erklärung geben.
Haplo beobachtete Iridal genau. Sie sprach kein
Wort zu ihm, als sie in der Kathedrale anlangten. Als wäre er für sie überhaupt
nicht vorhanden. Allem Anschein nach hatte sie sich ganz in sich selbst
zurückgezogen. Auch den Kenkari, wenn sie das Wort an sie richteten, antwortete
sie höflich, aber einsilbig.
Weiß sie die Wahrheit? War Gram selbstgefällig
genug, ihr alles zu erzählen
Weitere Kostenlose Bücher