Drachenelfen
hatte der Hund das Geschehen verfolgt und fand es sehr unterhaltend.
Plötzliches Hin und Her, laute Worte und Verwirrung erschreckten das Tier.
Männer rochen nach Angst, Gewalt, Gefahr. Der Hund wurde geknufft und getreten.
Und dann sah er den Hauptmann Hugh angreifen, einen Mann, den der Hund als
Freund betrachtete.
Der Ansprung stieß den Mann zu Boden, scharfe
Zähne schnappten nach seinem Schwertarm; mit bloßen Händen setzte er sich verzweifelt
gegen die knurrenden, geifernden Attacken seines vierbeinigen Gegners zur
Wehr.
Die Wachen hielten Hugh fest gepackt. Der
Sergeant eilte mit gezücktem Schwert herbei, um den Assassinen unschädlich zu
machen.
»Halt!« befahl Stephen laut. Er hatte sich von
dem ersten Schock erholt und erkannte Hugh.
Der Sergeant blieb stehen, schaute sich zu
seinem König um. Der Hauptmann lag auf dem Boden, der Hund schüttelte ihn wie
eine Ratte. Stephen, verständnislos und fasziniert von dem Ausdruck auf des Assassinen
Gesicht, trat langsam auf ihn zu.
»Was…?«
Niemand, außer Hugh, achtete auf Gram. Der Junge
hatte Hughs Schwert vom Boden aufgehoben und schlich auf Zehenspitzen von
hinten an den König heran.
»Majestät…« Hugh versuchte sich loszureißen, der
Sergeant versetzte ihm mit der flachen Klinge einen Schlag gegen den Kopf.
Benommen sackte der Assassine im Griff seiner Überwältiger zusammen, doch Anne
war durch seinen Ruf auf merksam geworden. Sie erkannte die Gefahr, stand aber
zu weit entfernt, um eingreifen zu können. »Stephen!« rief sie.
Gram umklammerte den Griff des Schwertes mit beiden
kleinen Händen.
»Ich will König sein!« schrie er haßerfüllt und
stieß die Klinge mit aller Kraft Stephen in den Rücken.
Der König stieß einen Wehlaut aus und wankte. Ungläubig
griff er mit der Hand zum Rücken und fühlte das eigene Blut über die Finger
rinnen. Gram riß die Klinge zurück, Stephen taumelte, stürzte zu Boden. Anne
kam angelaufen.
Der Sergeant, unfähig zu begreifen, was sich vor
seinen Augen abgespielt hatte, starrte auf das Kind mit den blutigen Händen.
Gram hob das Schwert zu einem zweiten, tödlichen Stoß. Anne warf sich schützend
über ihren verwundeten Gemahl. Gram schwang die Waffe gegen sie.
Plötzlich durchfuhr den schmächtigen Körper ein Ruck,
die Augen des Jungen wurden groß. Das Schwert entfiel seiner Hand, er griff
sich an die Kehle, als könnte er nicht atmen. Langsam, angstvoll, drehte er
sich herum.
»Mutter?« Die Stimme versagte ihm, er formte das
Wort mit den Lippen. Iridal trat aus der Dunkelheit. Ihr Gesicht war
totenbleich, die Züge wie aus Stein gemeißelt. Sie bewegte sich mit einer
schrecklichen, gelassenen Zielstrebigkeit. Ein unheilvolles Raunen wehte mit
ihr aus der Nacht heran.
»Mutter!« röchelte Gram, sank auf die Knie und
streckte ihr flehend die Hand entgegen. »Mutter, nicht…«
»Es tut mir leid, mein Sohn«, sagte sie. »Vergib
mir. Ich kann dich nicht retten, und ich darf dich nicht schonen. Du hast
selbst den Stab über dich gebrochen. Ich tue, was ich tun muß.«
Sie hob die Hand.
Gram starrte sie in ohnmächtiger Wut aus
hervorquellenden Augen an, dann wurde sein Blick starr, und er fiel zur Seite.
Ein Zittern überfiel ihn, dann lag er still.
Niemand sprach, niemand wagte, sich zu rühren.
Der Verstand bemühte sich, das Unfaßbare zu fassen. Nur der Hund, der spürte,
daß die Gefahr vorüber war, ließ von seinem Opfer ab, tappte zu Iridal hinüber
und stieß mit dem Kopf gegen ihre kalte Hand.
»Ich verschloß die Augen vor dem, was sein Vater
war«, sagte Iridal mit einer tonlosen Stimme, die furchtbar anzuhören war. »Ich
verschloß die Augen vor dem, was aus Gram geworden war. Es tut mir leid. Ich
habe nie gewollt, daß es so weit kommt. Ist er – ist er – tot?«
Ein nahebei stehender Soldat kniete neben dem
Kind nieder und legte ihm die Hand auf die Brust. Dann hob er den Kopf und
nickte Iridal wortlos zu.
»Es ist gerecht. Auf dieselbe Art ist Euer Sohn
gestorben, Majestät.« Iridals Blick ruhte auf Gram, ihre Worte waren für Anne
bestimmt. »Das Kind konnte die Luft im Hohen Reich nicht atmen. Ich tat, was in
meinen Kräften stand, aber der Kleine erstickte.«
Anne schluchzte auf, schlug die Hände vors
Gesicht und wandte den Kopf ab. Stephen raffte sich unter Schmerzen auf, bis er
am Boden kniete, und legte die Arme um seine Frau. Er sah erschüttert auf den
kleinen Leichnam.
»Laß diesen Mann
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