Drachenelfen
Palastdienerinnen! Und nun tanzte er für sie auf dem federnden Rücken des Wolkensammlers, die Arme seitlich ausgestreckt, um auf dem unsicheren Grund die Balance zu halten. Manchmal schüttelte er dabei überraschend den Kopf, als glaube er selbst nicht, was er dort tat.
Auch sie tanzte nun. Mit kurzen, kräftigen Sprüngen; die Augen geschlossen und ganz in ihre Erinnerungen versunken. So hatte sie früher für ihren Vater getanzt. In jener längst vergangenen Zeit, als er noch manchmal ein Lächeln für sie gehabt hatte. Sie dachte an die groÃe Trommel im Zelt des Unsterblichen. Daran, wie ihre kleinen FüÃe den Rhythmus zu ihrem Tanz gestampft hatten. An das Vibrieren des straff gespannten Trommelfells unter ihren Sohlen. Den dumpfen Laut des Instruments, der tief in ihren Bauch
gefahren war. Die Arme eng an den Körper gelegt, hatten ihre FüÃe immer schneller gestampft. Man musste sich sehr in Acht nehmen beim Trommeltanz. Ein falscher Schritt auf dem schwingenden Fell und man wurde von dem Instrument abgeworfen. Vor den Augen ihres Vaters war ihr das zum Glück nie passiert. Stets hatte sie den Tanz damit beendet, in seine Arme zu springen.
Wenn sie in einsamen Nächten zu einem der Wolkensammler schlich, um im Himmel zu tanzen, dann war die Erinnerung an jenen freundlichen Vater, der sie gerne in seine Arme geschlossen hatte, so nah, als sei seit dem letzten Tanz für ihn nur ein Augenblick verstrichen und nicht viele Jahre.
Shaya blinzelte und blickte zu Aaron. Er wirkte auf charmante Art unbeholfen. Sie wusste, dass er sich bemühte, ihr zu gefallen. Seit der letzten Umarmung ihres Vaters hatte kein Mann sie mehr zärtlich berührt. Sie war ein Schatz des Reiches. Die Tochter eines Unsterblichen! Leider ein Schatz, dessen Wert von Tag zu Tag schwand. Sie würde eine säuerlich riechende alte Jungfer werden! Es gab keine Zukunft für Aaron und sie, denn es war den Töchtern von Unsterblichen verboten, ein Ehebündnis mit einem anderen Unsterblichen einzugehen. So sollte verhindert werden, dass zwei Reiche eine zu enge Allianz eingingen und das empfindliche Gleichgewicht zwischen den GroÃreichen gestört wurde. Nur wenn die göttlichen Devanthar einer solchen Hochzeit zustimmten, mochte das eherne Gesetz aufgehoben werden. Doch warum sollten sie ihre eigenen Gesetze aufheben? Nein, sie durfte sich nicht in Aaron verlieben! Durfte sich nicht davon geschmeichelt fühlen, wie offensichtlich er sich um sie bemühte! Es wäre besser, wenn sie ihn nicht mehr wiedersah.
Wolken zogen vor die Zwillingsmonde und tranken deren Licht. Regentropfen, fein wie Staub, umfingen sie. Der moosige Untergrund wurde rutschig. Sie konnte sehen, wie Aaron mehr und mehr Mühe hatte, sich auf den Beinen zu halten. Seine Tunika klebte nass an seinem Körper. Er war gut gebaut. Ein starker Mann. Wirre Haarsträhnen hingen in sein Gesicht. Wer ihn jetzt sah und
nicht kannte, wäre niemals auf die Idee gekommen, vor einem der mächtigsten Herrscher der Menschheit zu stehen. Er sah aus wie ein ganz normaler Mann.
Sie konnte spüren, wie ihr Herz wilder schlug.
Ihre alte Sehnsucht war erwacht. Jenes warme, schmerzliche Gefühl, das sie seit so vielen Jahren verdrängte. Mit Kampfübungen verdrängte, mit wilden Tänzen oder der geistigen Askese durch das Studium alter Philosophen. Und doch kehrte es beharrlich immer wieder, stets zu unpassender Zeit. Die Sehnsucht, umarmt zu werden. Die Sehnsucht, eine ganz normale Frau zu sein. Keine Prinzessin. Kein ⦠Sie rutschte aus.
Aaron schnellte vor, griff nach ihrer Hand, zog sie zu sich heran â und glitt ebenfalls aus. Er stürzte, ohne sie loszulassen. Hart fiel sie auf seine Brust und spürte seinen warmen Atem auf ihrem Gesicht. Er hielt sie immer noch fest. Sein Blick war tief, voller unausgesprochener Wünsche. Und dann hob er den Kopf â langsam, fast als wolle er ihr die Gelegenheit geben, ihn abzuweisen. Seine Lippen fanden die ihren â und verweilten dort. Es war ein langer Kuss. Ganz anders als jeder Kuss, der ihr zuvor geschenkt worden war. Seine Arme umfingen sie und Shaya spürte ein Vibrieren tief in sich, so wie damals, als sie auf der Trommel getanzt hatte. Doch diesmal wurde es von einer unbekannten Wärme begleitet. Von einem süÃen Schmerz â¦
Sie zuckte zurück. Sofort löste sich die Umarmung. Aaron setzte sich auf. Er lächelte,
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