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Drachenelfen

Drachenelfen

Titel: Drachenelfen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Hennen
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dem Jagddolch, den sie in Wäldern ihrer Heimat verloren hatte.
    Als er nur noch zwei Schritt von ihr entfernt war, kauerte sie sich nieder.
    Seine Berührung war wie die jenes eisigen Windes, der in manchen Nächten zugleich mit dem tanzenden grünen Himmelslicht aus dem höchsten Norden nach Carandamon kam. Der Hirsch glitt durch sie hindurch. Zugleich wich die Finsternis. Sie kauerte auf einem schmalen Felsgrat. Eine aus dem Stein gewachsene Brücke, kaum einen Fuß breit, die sich über einen Abgrund spannte.
    Ihr seid also die Dame Nandalee.
    Die Stimme fuhr wie ein Hitzesturm durch ihre Gedanken, die letzten Schatten wichen. Sie stand inmitten eines annähernd runden Saals. Ringsherum öffneten sich weite Bogengänge. Öffnungen, so groß, dass kleine Wolken durch sie hätten hindurchziehen können. Warmes Licht füllte sie aus. Und in jeder Öffnung saß ein Drache. Und ein jeder von ihnen strahlte in einer anderen Farbe.
    Die meisten Albenkinder nennen uns die Regenbogenschlangen.
    Alle Blicke ruhten auf ihr und musterten sie mit jener Art von launischem Interesse, mit der Kinder einen besonders merkwürdigen Käfer betrachteten. Welcher der Regenbogenschlangen war es wohl, der zu ihr sprach?
    Ein stechender Schmerz durchfuhr ihren Kopf. Ein Schmerz, als habe man ihr ein Messer durch den Schädelknochen gerammt. Dann stieß die Klinge von innen durch die Augen. Nandalee
beugte sich vor, würgte, wimmerte — und mit dem Schmerz kam der Zorn. Sie hasste es, hilflos zu sein! Und sie würde es niemandem erlauben, sie so zu behandeln.
    Â»Warum tut ihr das?«, stieß sie hervor. Speichelfäden troffen ihr von den Lippen und sie würgte erneut.
    Eure Gedanken bleiben uns tatsächlich verschlossen.
    Ein Drache, der in allen Rottönen eines prächtigen Sonnenuntergangs erstrahlte, streckte sein geschupptes Haupt vor. Er legte den Kopf leicht schief.
    Ihr seid einzigartig.
    Seine Stimme ließ Nandalee wohlig erbeben und sie seufzte leise. Der Rote würde zu ihr stehen! Und sie zu ihm! Sie würde sich für ihn zerfleischen lassen! Seine Stimme zu hören, sich seines Wohlwollens gewiss zu sein wäre jede Gefahr wert.
    Man könnte die Dame Nandalee auch als aus der Art geschlagen bezeichnen. Eine Missgeburt. Ein Irrtum, den es zu beseitigen gilt. Ein Makel in der Schöpfung.
    Gedanken wie Eiswasser. Ängstlich fuhr sie herum. War es der Nachtblaue? Oder vielleicht der Smaragdfarbene?
    Ob jene Dame wohl anders mundet als die anderen?
    Der Nachtblaue bleckte seine schwertlangen Fänge. Nandalee stockte der Atem. Nie zuvor hatte sie sich so vollkommen hilflos gefühlt. Sie war ausgeliefert. Es war unabsehbar, was für ein Ende das hier nehmen würde. Sie konnten alles mit ihr tun. Die Elfe hatte keinen Zweifel, dass die Macht der Gedanken der Regenbogenschlangen sie in einem Moment auflachen lassen konnte, um sie dann im nächsten Augenblick in tiefste Melancholie zu stürzen. Sie war für die Drachen wie eine der Fingerpuppen, mit denen sie als Kind gespielt hatte. Hohl. Ausgefüllt von fremdem Willen.
    Was kümmern uns die Gedanken der Dame? Die Sprache ihres Körpers schreit sie uns entgegen. Ihr Geruch ebenso. Riecht ihr nicht ihre Angst? Ihre verzweifelte Hoffnung, uns zu gefallen?
    Ein Drache vom strahlenden Goldgelb der Spätsommersonne schnaubte unwillig. Waren das seine Gedanken gewesen?

    Dann ließen sie von ihr ab, doch Nandalee ahnte, dass der Disput unter den Drachen noch andauerte. Nur dass sie nun von ihren Gedanken ausgeschlossen war.
    Stimmte es? War sie ein Makel? Ihre Sippe hatte sie verloren. Und selbst die Ausgestoßenen, die der Schwebende Meister um sich geschart hatte, verachteten sie. Aber sie war hier, unter den Regenbogenschlangen. Die ersten Kinder der Alben hatten von ihr erfahren und wollten sie sehen. Nein, der Rote hatte recht gehabt — sie war etwas Besonderes. Nicht besser oder schlechter als andere vielleicht, aber sie war außergewöhnlich. Und sie war eine Jägerin aus der Sippe der Windgänger. Es gab nichts, für das sie sich hätte schämen müssen.
    Die Angst fiel von Nandalee ab. Sie atmete tief ein, füllte ihre Lungen mit dem Wohlgeruch der Drachen. Stolz richtete sie sich auf. Die Herren der Welt waren um sie versammelt. Um sie, die Verfemte! Sie würde stolz ihrem Schicksal entgegenblicken und nicht voller Demut. Jene, vor denen alle ihr Haupt

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