DRACHENERDE - Die Trilogie
Angst vor seinem Herrscher. „Ich zumindest weiß kaum etwas darüber …“ Als er sah, wie der Kaiser den Mund öffnete, um ihn anzufahren, setzte er schnell hinzu: „Und auch Liishos Wissen scheint keineswegs vollkommen zu sein. Denn wenn Ihr mich fragt, versuchte der Weise das Tor zu öffnen, als wir hier eintrafen, was die seltsamen Lichterscheinungen hervorrief, die wir gesehen haben, doch es ist ihm aus irgendeinem Grund nicht gelungen.“
Katagi knurrte und ließ den Magier los. „Aber das bedeutet nicht, dass ein zweiter oder dritter Versuch ebenfalls erfolglos sein muss.“
Ubranos zuckte mit den Schultern. „Vielleicht ist eine besondere Konstellation der Gestirne oder der Monde dafür erforderlich – oder gar der Stand der Sonne entscheidend. Oder man ist auf das Wohlwollen dieser Kreatur namens Fjendur angewiesen - was ich beim Gedenken an alle Großmeister von Magus nun wirklich nicht hoffen will.“
„Was schlagt Ihr vor, Meister Ubranos?“
„Mein Kaiser, es gibt eine Möglichkeit, Rajin in diesem Fall dazu zu bewegen, Liisho nicht durch das Tor zu folgen. Immerhin befindet sich diese junge Frau in unserer Gewalt - Nya! Ich habe ihren Geist gründlich durchforscht, denn schließlich trägt sie ja den Enkel Kaiser Kojans unter ihrem Herzen. Ihr Geist ist schwach, und es gibt da ein paar interessante Varianten magischer Kunst, die man bei ihr anwenden könnte.“
„Und was schwebt Euch da so vor?“
„Zunächst einmal werden wir Rajin eine Botschaft zukommen lassen …“
Das Licht blendete Nya, als sich die Tür öffnete und der Magier in ihr Gefängnis trat. Sie war noch immer nicht in der Lage sich zu rühren. Eine ungeheure Kälte umfing sie, und sie hatte zwischenzeitlich schon überlegt, ob sie vielleicht längst gestorben war und nur der Todverkünder und Traumhenker Ogjyr vergessen hatte, ihre Seele von ihrem längst erkalteten Leib zu trennen.
Der Magier, der sie in ihrem Gefängnis aufsuchte, war derselbe, der sie schon unmittelbar nach dem Gemetzel von Winterborg auf so unangenehme Weise berührt hatte und in ihre Seele gedrungen war. Sie hätte vor ihm gezittert, doch nicht einmal dazu war sie in der Lage.
Der Magier redete zu ihr in einer Sprache, die nicht die ihre war, aber seine Worte drangen dennoch in ihre Gedanken. Es war beinahe so wie bei der Gedankenstimme Fjendurs, deren Botschaft sie ebenso erhalten hatte wie die Drachenier.
„Dein geliebter Rajin ist ganz in der Nähe“, sagte der Magier mit einer Stimme, deren Klang sie unwillkürlich schaudern ließ. „Oh, verzeih - du nennst ihn ja Bjonn Dunkelhaar. Du willst doch sicher auch, dass er von dir erfährt. Davon, dass es dir und seinem Kind gut geht.“ Der Magier kicherte, als hätte er schon vor langer Zeit den Verstand verloren. Seine Hand berührte ihren Bauch, dann wanderte sie höher; dazu murmelte er Worte, deren Bedeutung sie auch auf magische Weise nicht erfassen konnte. Worte, die aus Lauten bestanden, die sehr tief aus seiner Kehle kamen, und die sich deutlich von der Sprache unterschieden, die er bis dahin benutzt hatte.
Eine Welle des Schmerzes durchfuhr Nya. Für Augenblicke war sie nicht in der Lage, auch nur einen einzigen klaren Gedanken zu fassen. Sie hatte das Gefühl, dass ihr die Seele aus dem Körper gerissen würde …
Aber nicht nur ihre Seele, sondern auch die des ungeborenen Lebens in ihr.
Der Magier legte die Hand auf ihr Gesicht, und es war Nya, als würde sich ein ungeheures Gewicht auf sie legen, eine Last, die sie zu zerdrücken drohte. Sie konnte nicht atmen. Aber wenn es die Götter so beschlossen hatten, dachte sie, dann sollte es so sein, dann war dieser Moment vielleicht einer jener Webfehler im Schicksalsteppich, die Groenjyr, dem Gott des Jademondes, nun einmal unterliefen, wenn er zu viel getrunken hatte. Der Traumhenker sollte kommen und sie von ihrem Leib trennen – aber mit ihm gehen würde sie nicht. Sie war bereit, alles loszulassen und sich in Njordirs nasses Reich zu begeben. Dort, so war sie überzeugt, wartete der Frieden auf sie, der immerwährende Frieden des dunklen Meergrunds. Der Gedanke beruhigte sie.
Da nahm der Magier seine Hand wieder weg, und von einem Moment zum anderen war auch der unerträgliche Druck, der sie hatte ersticken wollen, nicht mehr da.
Eine Wolke aus dunklem Rauch war in der geöffneten Hand des Magiers zu sehen. Eine Vielzahl winzigster Teilchen tanzte wie ein Schwarm kleiner Fliegen durcheinander. Dann begannen diese
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