DRACHENERDE - Die Trilogie
Fall Katagis auch den eigenen jähen Sturz zur Folge hatte.
Das Problem lag in der schieren Zahl von Sun-Günstlingen, die mittlerweile überall zu finden waren. Er musste immer ein gewisses Gleichgewicht zwischen den verschiedenen, ihm in besonderer Weise verpflichteten Häusern wahren. Und die Tatsache, dass sich aus anderen Häusern niemand für den offenbar mit einem hohen Risiko für Leib und Leben behafteten Posten des Persönlichen Adjutanten beworben hatte, bedeutete keineswegs, dass man deshalb keinen Neid gegenüber der Familie Sun empfand, deren Sprössling jene Position nun innehatte.
Katagi stand auf dem der See zugewandten Nordwestturm der inneren Burg von Vayakor, die auch seinen Sommerpalast beherbergte. Der Kaiser von Drachenia wirkte gedankenverloren. Die Worte seines Adjutanten schien er gar nicht registriert zu haben, jedenfalls ging er nicht darauf ein, sah nur kurz zur Seite und richtete dann wieder den Blick in die Ferne und über die Mittlere See. Irgendwo hinter dem dunstigen Horizont hatte sich womöglich bereits sein Schicksal entschieden.
„Die Zweikopfkrähennachricht, auf die Ihr schon seit Tagen wartet, ist eingetroffen“, wandte sich Guando noch einmal an seinen Kaiser. Sich zu ungestüm in die Gedanken des Kaisers zu drängen konnte ebenso gefährlich sein, wie dies zu zaghaft und verhalten zu tun. Beides hatte der Kaiser Guandos Vorgängern im Adjutantenamt bereits zum Vorwurf gemacht und ihnen daraus im wahrsten Sinn des Wortes einen Strick gedreht.
Ein Ruck ging durch den Kaiser, der tief in seinen derzeit überwiegend finsteren Gedanken versunken gewesen war. „Warum sagst du das nicht gleich? Handelt es sich um eine Nachricht meiner Armada?“
„Ja, Herr.“ Guando verneigte sich und übergab seinem Kaiser in einer Haltung tiefster Demut ein zusammengefaltetes Pergament.
Katagi riss es dem Adjutanten förmlich aus der Hand und faltete es auseinander. Die Nachricht war von seinem Lord Drachenmeister persönlich. Ein paar schnell dahingekritzelte Zeilen, geschrieben offenbar in höchster Not – und im Angesicht einer drohenden Katastrophe. Offenbar war auch das Pergament in aller Eile gefaltet und der Zweikopfkrähe umgehängt worden, die man dann auf die Reise über die Mittlere See geschickt hatte.
Katagi las die wenigen Zeilen und stieß dann einen Wutschrei aus, wie ihn Guando in seinem jungen Leben noch nie gehört hatte, nicht einmal von einem Drachen.
„Kann man sich denn auf nichts mehr verlassen! Gilt die Güte des Unsichtbaren Gottes etwa nicht mehr dem Kaiser der Drachenier? O Schande über das Schicksal selbst, wenn es mich so hintergeht!“
In diesem Augenblick war ein dumpfes Grollen zu hören. Der Usurpator spürte, wie der Boden zu seinen Füßen leicht schwankte. Risse entstanden im Mauerwerk des Turms, und ein großer Gesteinsbrocken brach heraus und polterte nach unten.
Unwillkürlich blickte Katagi nach Osten – in jene Richtung also, wo angeblich der Urdrache Yyuum unter dem mitteldrachenischen Bergrücken begraben lag und Erdbeben auslöste, sobald er sich im Schlaf bewegte.
Katagi schluckte. Ein Zeichen, durchfuhr es ihn. Das musste ein Zeichen sein – aber keines, das etwas Gutes für ihn verhieß.
Namenlose Furcht erfasste Katagi. Er ließ das Pergament mit der Nachricht seines Lord Drachenmeisters sinken und berührte einer plötzlichen Regung folgend das Imitat des dritten Drachenringes an seiner Hand. Selten zuvor hatte der rote Striemen, der sich darunter verbarg, so höllisch gejuckt wie in diesem Augenblick.
7. Kapitel
Im Land der Leuchtenden Steine
Bald schon hatten Rajin und seine Getreuen Magussa hinter sich gelassen, wo die Drachen ihr furchtbares Zerstörungswerk immer noch fortsetzten, und dies auf eine Weise, wie man es seit Äonen nicht mehr gesehen hatte. Rauchsäulen stiegen am Horizont empor.
Ayyaam und Ghuurrhaan flogen in südwestliche Richtung ins Landesinnere. Rajin ließ seinen Drachen einfach Liisho und Ayyaam folgen. Der Weise schien den Weg genau zu kennen, was angesichts des Umstandes, dass er schon mal in Ktabor gewesen war, auch nicht weiter verwunderte.
Das Land, das sie überflogen, war dünn besiedelt. Immer wieder waren magische Anwesen zu sehen, von denen viele aber wohl nicht bewohnt waren und ebenso verblassten wie so manches Gebäude in den Außenbezirken von Magussa. Kleine Siedlungen gab es, aber kaum eine davon erreichte die Größe eines Dorfes oder gar einer Stadt. Sie
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