DRACHENERDE - Die Trilogie
Euren Augen Tiere sind ...“
„Verzeiht meine harte und unbedachte Formulierung, o Kaiser.“
„Sie war immerhin offen und ehrlich – und das weiß ich zu schätzen, Branagorn.“
Einige Augenblicke herrschte Schweigen. Nicht einmal Koraxxon äußerte noch ein Wort, obwohl ihm wohl eine scharfe und abfällige Bemerkung auf der Zunge lag. Ghuurrhaan stieg mit ein paar kräftigen Flügelschlägen noch etwas höher, wo die Winde noch günstiger für ihn waren. Rajin war es immer noch ein Rätsel, woher der ehemalige Wilddrache wusste, wenn hundert seemannische Masthöhen über ihm gerade eine Luftströmung herrschte, durch die er ohne großen Kraftaufwand ungezählte Meilen in kurzer Zeit zurücklegen konnte. Vielleicht verfügten die Drachen über einen besonderen Sinn, mit dem sie Strömungen und Windstärken auch über größere Entfernungen hinweg erfassen konnten. Wenn dem so war, dann war dieser besondere Sinn bei Wilddrachen deutlich ausgeprägter als bei den Drachen aus den Zuchtpferchen Drachenias.
Während der Zeit, da Rajin um die Rückeroberung seiner Herrschaft hatte kämpfen müssen, hatte ihn dieser Umstand mehr als einmal gerettet, wenn die Kriegsdrachen des Usurpators Katagi Ghuurrhaan einfach nicht hatten folgen können.
„Also gut“, besann sich Branagorn schließlich. „Ich werde Euch ein paar Dinge über mich offenbaren, obwohl ich es hasse, Personen meine Gesichte zu erzählen, deren Leben zu kurz ist, dass sie auch nur ansatzweise begreifen können, was mir widerfuhr ...“
„Ihr solltet keinen von uns unterschätzen, Branagorn“, mahnte Rajin.
„Haltet mich nicht für hochmütig ...“
„Wie könnte ich!“
„... denn auch dies war wieder nur eine Feststellung und sollte niemanden der hier anwesenden beleidigen.“
„Langsam verstehe ich, weshalb du gezwungen warst, als Einsiedler zu leben“, knurrte Koraxxon.
Branagorn begann zu erzählen. „Ich gehöre einem Volk an, das man einst das ›Volk des Lichts‹ nannte. Sein richtiger Name braucht Euch nicht zu interessieren, da Ihr ohnehin nie von ihm gehört habt und sehr wahrscheinlich auch nie einem weiteren seiner Angehörigen begegnen werdet. Auch wenn unsere Zauberkundigkeit in den letzten Zeitaltern sehr nachließ und dies für uns zu einem ernsthaften Problem wurde, verstanden wir immer noch mehr davon als jede andere Rasse, der wir je begegnet sind ...“
„Bescheidenheit jedenfalls scheint Eurem Volk vollkommen unbekannt zu sein“, stellte Koraxxon fest.
„Warum sollte ich die Fähigkeiten und den Ruhm meines Volkes herunterspielen?“, fragte Branagorn mit vor Pathos bebender Stimme. „Die anderen Völker meiner Welt verehrten uns lange Zeit als Götter, bevor sie anfingen, unbedeutende Naturphänomene anzubeten, wie etwa das Mondlicht oder den Lauf der Sonne. Doch wie auch immer ... Ich liebte einst eine Frau namens Cherenwen, die jedoch ihrem Leben ein vorzeitiges Ende setzte, noch bevor es richtig begonnen hatte. Ihr müsst wissen, dass der Lebensüberdruss bei uns eine weit verbreitete Krankheit war, vielleicht eine Nebenwirkung eines vergleichsweise langen Daseins, allerdings bin ich mir dessen nicht sicher. Jedenfalls verzehrte ich mich in Sehnsucht nach der Toten. Dennoch diente ich über Jahrhunderte hinweg meinem König und erfüllte treu die Pflichten eines Herzogs, der an seiner statt die Herrschaft über ein recht großes Land ausübte. Aber schließlich hielt ich es nicht mehr aus, ließ mich von meinen Pflichte entbinden und brach auf in ein Land, das wir auch das ›Land der Geister‹ nannten. Ich wusste, dass ich die Grenze zwischen den Lebenden und den Toten nicht zu überwinden vermochte, aber ich hoffte, meiner Geliebten Cherenwen dort zumindest nahe zu sein.“
„Nun, warum hast du nicht einfach auch deinem Leben ein Ende gesetzt?“, erkundigte sich Koraxxon. „Wäre das nicht ein viel schnellerer und erfolgsversprechenderer Weg gewesen, deiner Geliebten wieder nahe zu sein?“
„Gewiss. Aber ich habe diesen Lebensüberdruss nicht in mir gespürt“, antwortete Branagorn. „Und davon abgesehen ... Aber ich will niemanden mit diesen persönlichen Dingen langweilen. Die haben auch nichts mit den Umständen zu tun, unter denen ich schließlich in Eure Welt gelangte.“
„Fahrt fort und lasst Euch von meinem Getreuen Koraxxon nicht weiter dabei stören““, forderte Rajin.
„Wie ich schon sagte, ich zog ins Land der Geister, wo einige meines Volkes mit den
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