DRACHENERDE - Die Trilogie
Branagorn“, stand Erich von Belden.
Während der Stunden, in denen sie nichts weiter tun konnten, als darauf zu warten, dass Ghuurrhaan wieder zu Kräften kam, unterhielten sie sich über dieses und jenes, wobei sie sich mit jedem Wortwechsel einerseits vertrauter wurden, andererseits ihre jeweilige Andersartigkeit deutlich zum Ausdruck kam.
Rajin vermutete, dass es mindestens noch einen Tag dauern würde, bis er mit Ghuurrhaan wieder einen Aufstieg in die Lüfte wagen konnte. Den Anderen gegenüber hielt er sich in diesem Punkt bedeckt, denn seine Annahme beruhte lediglich auf einer vagen Ahnung, von der er glaubte, dass sie wiederum auf seinen besonderen geistigen Kontakt zu Ghuurrhaan gründete, doch er konnte auch nicht ausschließen, dass es sich möglicherweise nur um Wunschdenken handelte.
Rajin sprach Branagorn auf dessen verlorene Geliebte an. „Ich nehme an, Ihr habt die Hoffnung nicht aufgegeben, eines Tages wieder mit ihr vereint zu sein“, sagte er, während sie von dem mitgeführten Proviant aßen.
„Ich muss gestehen, dass ich manchmal kurz davor war“, bekannte Branagorn. „Auch wenn die Zeit für meinesgleichen nicht dieselbe Bedeutung hat wie für Euch, so lasten die vielen ungezählten Nächte, die ich nun schon allein im Licht der fünf Monde verbringe, immer schwerer auf meiner Seele. Manchmal frage ich mich, ob das, was ich in jener anderen Welt erlebe, die ich als meine Heimat betrachte, vielleicht nichts weiter als ein sehr real erscheinender Traum gewesen ist. Ich habe bestimmte Rituale dafür entwickelt, um die Erinnerung daran so wach wie möglich zu halten, aber es scheint tatsächlich eine Art Gesetz der Natur zu sein, dass die Erinnerung an die alte Welt nach und nach schwächer wird, sobald man eine neue betritt. Und ist das nicht auch unter den Völkern dieser Fünfmondwelt so? Sie alle sind durch die kosmischen Tore hierher gelangt, aber über die Zeit davor haben sie in ihren Überlieferungen so gut wie kein Wissen bewahrt.“
„Das mag wohl sein“, sagte Rajin. „Um ehrlich zu sein, ich habe mir darüber noch nie den Kopf zerbrochen.“
„Der Abstand der Jahre verschafft einem viele Einsichten“, fuhr Branagorn fort. „Ich beobachte Eure Welt immerhin -gemessen an Euren Maßstäben – schon sehr lange, und da fällt einem manches ins Auge, was offenbar noch keinem der hier beheimateten Geschöpfe aufgefallen ist.“
„Da wir im Moment zum Nichtstun verdammt sind, wollte ich Euch eigentlich in einer anderen Sache um Rat fragen“, wechselte Rajin das Thema.
„Nur zu. Was die Vergessenen Schatten betrifft ...“
„Nein, um die geht es nicht.“
„Worum dann?“
„Ich teile in gewisser Weise Euer Schicksal, denn auch ich habe eine Liebe verloren, deren Seele irgendwo in den Weiten des Polyversums verschollen scheint – zusammen mit der Seele meines ungeborenen Sohnes. Ein Magier versetzte beide in einen todesähnlichen Schlaf, und seitdem liegen ihre Körper in einem Sarg aus Glas aufgebahrt ...“
„Das ist tragisch, und Ihr habt mein volles Mitgefühl, Kaiser Rajin.“
„Glaubt Ihr, dass es einen Weg gibt, sie zurück in diese Welt zu holen? Glaubt Ihr, dass die Seele meiner Geliebten Nya wieder zurück in ihren Körper finden könnte? Ihr seid doch offensichtlich in der Zauberkunst bewandert ...“
„Bewandert ist in diesem Zusammenhang ein viel zu großes Wort“, widersprach Branagorn. „Aber Euer Schicksal rührt mich, da es dem meinen so ähnlich scheint. Berichtet mir mehr darüber. Seht Ihr das Gesicht dieser Nya noch in Euren Träumen, oder fällt Euch bereits die Erinnerung schwer? Na ja, vielleicht kommt das bei Euch noch. Ich vergesse immer, dass für Euch die Zeit anders vergeht und Euresgleichen bereits den Augenblick für eine Ewigkeit hält ...“
Rajin sprach lange über Nya, und Branagorn hörte aufmerksam zu, denn wenn der Bleiche Einsiedler von einer Sache mehr als genug zur Verfügung hatte und dementsprechend verschwenderisch damit umgehen konnte, dann war es Zeit. Nichts ließ Rajin aus. Er sprach davon, wie er Nya in Winterborg während seines Exils, als er noch Bjonn Dunkelhaar genannt worden wa,r kennen- und lieben gelernt hatte. Und natürlich vergaß er auch nicht den Moment zu schildern, da er zum ersten Mal vor dem scheinbar undurchdringlichen gläsernen Sarg gestanden hatte.
„Es wäre vermessen, Euch irgendetwas zu versprechen“, sagte Branagorn, als der junge Kaiser geendet hatte. „Ich habe ja nicht mal
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